Impressum

Das Impressum finden Sie auf der Hauptseite von "Buch, Kultur und Lifestyle- Das Magazin für den anspruchsvollen Leser" wwww.rezensionen.co

Samstag, 8. November 2014

Helga König : Gedanken zu Seneca als guten Lehrmeister, um ein "leidenschaftlicher Twitterer" zu werden.

Dieser Tage las ich bei einem der Twitterer eine Sentenz, die mich hellhörig machte "Einem leidenschaftlichen Twitterer kann man nicht seine Twitterer-Eigenschaften nehmen, ohne ihm seine Existenz zu nehmen."

Wann, so fragte ich mich, wird man zu einem leidenschaftlichen Twitterer und was bitte sind Twitterer- Eigenschaften?

Ich las eine weitere Sentenz dieses Twitteres, mit folgendem Inhalt, die er Kierkegaard in den Mund legte "In furchtbaren inneren Leiden wurde ich [Twitterer]“ und ließ die beiden, offenbar miteinander korrespondierenden Sentenzen auf mich wirken.

Dann ging ich auf die Suche und erfuhr bei Wikipedia, dass Leidenschaft eine das Gemüt völlig ergreifende Emotion sei. Die antike Philosophie der Stoa, so las ich weiter, sah in der Beherrschung der Leidenschaften (Affektkontrolle) ein wichtiges Lebensziel.

Offenbar divergiert das Lebensziel eines leidenschaftlichen Twitterers mit dem eines Stoikers, denn der leidenschaftliche Twitterer frönt ja bekanntermaßen seiner Schreibleidenschaft.

Nun kenne ich diverse Seneca-Texte und versuche mir vorzustellen wie dieser Stoiker, der genau wusste "Sich selbst besiegen, ist der schwerste Sieg“, spontan gehandelt hätte, wenn er diesen und viele seiner anderen klugen Gedanken erst mal in die Welt hätte twittern können. Hätte er am Ende gar die Zivilisation verflucht, die laut Norbert Elias "Affektkontrolle" sei, weil sein Mitteilungsbedürfnis letztlich stärker war als sein philosophisches Denkgerüst? Oder hätte er - dem Neuen gegenüber aufgeschlossen - erst einmal sich selbst beschwichtigend getwittert: "Deine Einstellung mußt du ändern, nicht deinen Aufenthaltsort"? 

Twitter dient als Plattform zur Verbreitung von kurzen Textnachrichten (Tweets) im Internet. Diese dürfen maximal 140 Zeichen aufweisen, schreibt Wikipedia.

Twitter-Eigenschaften sind demnach, sich kurz und präzise ausdrücken zu können oder aber Botschaften von Dritten parat zu haben, die nicht länger sind als 140 Zeichen. Der Stoiker Seneca hat unglaublich viele Sentenzen verfasst, die weniger als 140 Zeichen umfassen. so etwa "Durch Lehren lernen wir" und eignet sich insofern als guter Lehrmeister, wenn man ein leidenschaftlicher Twitterer werden möchte.

Wenn man einem Twitterer, seine Twitterer- Eigenschaften- problemlos kurze Sätze in Mitteilungsabsicht zu formulieren oder auch nur zu suchen und zu kopieren- nimmt, dann muss man ihn tatsächlich seiner Existenz berauben, denn solange ein Mensch lebt, wird er kommunizieren, sei es mittels kurzer Botschaften oder durch nicht enden wollende Wortergüsse und dies nach Möglichkeit problemlos.

Eine kopierte, kurze Botschaft eines Viellesers könnte ein Satz von Seneca sein "Mit meinen Büchern führe ich die meisten Gespräche." Umformulieren könnte man das Zitat  in eine an Seneca angelehnte Sentenz "Mit manchen Twitterern führe ich indirekte Gespräche“.

Keineswegs schwer fällt es mir, mir vorzustellen, dass man Twitterer wird, weil man leidet, denn seit Pierre Corneille wissen wir "Man lindert seine Leiden, indem man sie erzählt" also beispielsweise in knappen Sätzen twittert.

Für Menschen allerdings, die  mit dem Zitat Camus "In den Tiefen des Winters erfuhr ich schliesslich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt "etwas anfangen können, ist das Motiv, weshalb sie twittern, vermutlich eher das Vergnügen an der Formulierung knapper Botschaften und die Freude darüber, dass andere sie lesen und diesen vielleicht sogar etwas abgewinnen können.

So lassen wir die Definition des Twitteres auf uns wirken, der uns  im Hinblick auf Twitter wissen lässt: "Für die einen ist es der Tummelplatz des blanken Narzissmus, für die anderen das digitale Flugblatt schlechthin."

Ich entscheide mich für das digitale Flugblatt. Ein Beispiel dafür  ist eine Twitter- Botschaft des Philosophen Wilhelm Schmid, die ich kürzlich retweetet habe.

"Warum ist das #Internet so faszinierend für so viele? Weil es ein Raum unendlicher Möglichkeiten ist, eine neue Erfahrung von #Transzendenz."

Helga König

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen