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Sonntag, 27. Januar 2019

Sonntagskolumne: Helga König, 27.1. 2019

"Der #Holocaust war der nationalsozialistische Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden. Deutsche und ihre Helfer führten ihn von 1941 bis 1945 systematisch, ab 1942 auch mit industriellen Methoden durch, mit dem Ziel, alle Juden im deutschen Machtbereich zu vernichten. Dieses Menschheitsverbrechen gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus und der entsprechenden rassistischen Gesetzgebung des NS-Regimes. In der NS-Ideologie wurde der Völkermord an den Juden seit dem Überfall auf Polen als "Vernichtung lebensunwerten Lebens" gerechtfertigt und mit den NS-Krankenmorden der "Aktion T4" und der Kinder-„Euthanasie“ auf eine Stufe gestellt. Der endgültige Entschluss zur Ermordung aller Juden fiel in engem Zusammenhang mit dem Vernichtungskrieg gegen die UdSSR ab dem Sommer 1941.“* 

Wann haben Sie erstmals von diesem #Völkermord gehört? Im Elternhaus? In der Schule? Durch Freunde, Bekannte in jungen Jahren? Durch Bücher? Durch Fernsehberichte?

Ich hörte erstmals davon durch einen Offizier des 1. Weltkriegs als ich elf oder zwölf Jahre alt war. 

Der redselige alte Mann lebte im Nachbarhaus meiner Herkunftsfamilie und berichtete am Gartenzaun von den Bombenabwürfen in #Dresden. Das Zerbomben dieser und anderer Städte sei kein Racheakt wegen des Massenmords an den Juden gewesen, wie man in Dresden noch immer behaupte, sondern eine militärische Notwendigkeit, um das verblendete deutsche Volk endlich wachzurütteln, das damals dabei war, nicht nur andere, sondern auch sich selbst zu vernichten. Was er sagte, habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich verstanden, es mir aber sehr wohl gemerkt. 

Mein Vorfahren waren Vertriebene aus Ostpreußen und Böhmen. Ihr Leid war ähnlich wie das Leid der Ausgebombten eine Folge der Machenschaften Hitlers und seiner willigen Helfer. Es war lange Jahre ein Tabu über dieses Leid zu sprechen, offenbar weil die Albträume dann in den Nächten den Schlaf raubten.

Mein Großvater mütterlicherseits war Sozialdemokrat seit 1923, gottlob kein williger Helfer. Mein Großvater väterlicherseits war an den Folgen einer Kriegsverletzung aus dem 1. Weltkrieg vor 1939 bereits gestorben und konnte sich nicht mehr schuldig machen. Meine Eltern waren zu jung, um sich an Kriegsverbrechen hätten aktiv beteiligen können. Wie sie sich entwickelt hätten, wenn Hitler länger an der Macht gewesen wäre, kann ich nur vermuten. Mein Großvater mütterlicherseits, Vorsitzender von 700 Flüchtlingen und Vertriebenen, gewiss nicht der Lieblingsmensch der alten Nazis  vor Ort, verstarb als ich 5 Jahre alt war. Er konnte mich nicht mehr aufklären. So herrschte lange Zeit Schweigen. Man wollte die Kinder verschonen aus unterschiedlichen Gründen.

Antisemitische Äußerungen habe ich in meinem Elternhaus nicht gehört. Dass es eine jüdische Synagoge an dem Ort, wo ich aufwuchs, einst gegeben hatte, erfuhr ich erst viele Jahre später durch die jüngere Schwester meiner Mutter, die sich mit dem Thema befasst hatte. Seit der Stolperstein-Initiative ist mir mittlerweile bekannt, dass die dort ansässigen jüdischen Familien 1938 deportiert und in Konzentrationslagern ermordet wurden. Jahrelang wurde das von den Einheimischen verschwiegen. Diejenigen, die die Deportation zu verantworten hatten, lebten noch Jahrzehnte unbehelligt und gerierten sich als Biedermänner. 

Schon sehr früh fragte ich mich, warum es keinen nennenswerten Widerstand gegen dieses Unrechtsregime gegeben hat und als ich später meine Abitursarbeit über den Widerstand in der NS-Zeit schrieb, wunderte ich mich, dass es kaum griffbereite Literatur zu diesem Thema in den Buchhandlungen gab. 1968 gehörte auch schon wieder diverse Jahre dem Gestern an. 

Noch immer wurde geschwiegen. 

Seither hat sich zwar viel geändert diesbezüglich, aber es hat nicht zur Aufklärung aller geführt. Noch immer wabert der alte Größenwahn durch nicht wenige Köpfe und noch immer wird nicht von allen begriffen, was sich in Deutschland in der NS- Zeit an Gräuel zugetragen hat, speziell an  unsäglichem Gräuel im Hinblick auf die Juden. 

Auf Youtube hat jeder die Chance, sich zahllose  Dokumentationen über den Holocaust anzuschauen, sich mit dem nationalsozialistische Völkermord an 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden auseinanderzusetzen. Weshalb tun es nur so wenige? Warum nicht unser ganzes Volk?

In so mancher Familie mit nationalsozialistischem Hintergrund befinden sich noch gestohlene Wertgegenstände, die einst den Juden gehörten, die im KZ ´s qualvoll ermordet wurden und oft wissen die Nachfahren der Diebe ganz genau, was Sache ist. Habsucht wird offenbar genetisch weitergegeben.

Antisemitische Äußerungen hörte ich erstmals  hautnah  bei Tisch einer Familie als ich schon älter als 30 Jahre war.  Seither weiß ich, Schweigen bedeutet der Schlechtigkeit und dem Wiedererstarken der Nazis Vorschub zu leisten. 

Die sozialen Netzwerke geben allen Nazigegnern die Chance aufzuklären und Breitenwirkung zu erzielen. Diese Möglichkeit sollte jeder nutzen. Noch ist  das Zeitfenster offen.

Helga König.
Wikipedia: Holocaust

Sonntag, 20. Januar 2019

Sonntagskolumne, Helga König 20.1.2019

"Wer die Achtung vor sich selbst verliert, ist verloren." (#Ernst_Ferstl)

#Selbstachtung wird vom Duden als Gefühl für die eigene menschliche Würde definiert. 

Wann kommt einem dieses Gefühl abhanden? Verliert man die Selbstachtung nur durch eigene Schuld oder kann man sie auch durch die Schuld anderer verlieren oder durch beides gleichermaßen? 

Prof. Dr. #Martin_Seel schreibt dazu: "Akte der Demütigung können die Integrität eines Menschen ebenso zerstören wie der Mangel an Courage und Nüchernheit. Die Destabilisierung kann sich auch auf schleichende Weise vollziehen: durch ein Nachlassen der Sorge um sich, wie es durch ein Mitläufertum auf Partymeilen, bei politischen Prozessionen oder auf ideologischen Pilgerreisen eintreten kann. Personen, denen diese Sorge gleichgültig geworden ist, haben den inneren Kompass verloren."* 

#Thomas_Knorra postet fast täglich in den sozialen Netzwerken über das Leid gedemütigter Kinder und mahnt die Erziehungsberechtigten an, ihren Schützlingen mehr Wertschätzung entgegenzubringen. 

Haben Menschen durch Demütigungen in frühen Jahren ihre Selbstachtung verloren, sind sie  offenbar zumeist nicht mehr in der Lage, ihre Mitmenschen wirklich zu achten, wenn sie in Sachen Mitgefühl nicht psychologisch nachschult werden. 

Wie sich besagtes Nicht-Achten in sehr aggressiver Form anfühlen kann, kann man täglich in den sozialen Netzwerken erleben und zwar überall dort, wo Rüpel auftreten. Sie kennen offenbar keine Wertschätzung. 

Mangelnde Selbstachtung macht tatsächlich anfällig, zum Mitläufer zu werden und nicht mehr zu hinterfragen, ob man das, was andere tun und was man da eifrig beklatscht, mit unserem Selbst noch vereinbar ist. 

Wer je Shitstorm-Kommentarseiten zu Büchern gelesen hat, kann dort sehr gut nachvollziehen, dass ein Schwarm von Mitläufern nur allzu gerne bereit ist, einen Autor und sein Werk verbal fertig zu machen, ohne beide überhaupt zu kennen. Es genügt, dass ein Vorturner die Losung "Gib´s ihm oder ihr" herausgibt und schon wird brachial auf beide eingedroschen. 

Ein Mensch, der über eine gesunde Selbstachtung verfügt, würde dies nie tun. Es würde ihn anekeln, sich selbst so zu erniedrigen, es nötig zu haben, sich nur dadurch zu gut zu fühlen, dass er anderen Kummer bereitet. 

Ein Mensch mit geringer Selbstachtung hofft hingegen insgeheim, das eigene Selbstwertgefühl würde sich erhöhen, wenn er andere plattbügelt. Doch da irrt er. Das Gegenteil geschieht. 

Die Strategen der Nazis haben nach dem verlorenen 1. Weltkrieg Hunderttausende von Menschen mit sehr beschädigter Selbstachtung um sich geschart, die ohne zu hinterfragen, zu jeder Schandtat bereit waren und denen, weil sie komplett unfähig waren zu trauern oder gar ihre Schuld anzunehmen, nach 1945 nur das Verdrängen und das aberwitzige Aufblasen ihres Egos blieb, um nicht vor Selbstekel Suizid zu begehen. 

Es stimmt: "Wer die Achtung vor sich selbst verliert, ist verloren." 

Zwei Generationen waren es im letzten Jahrhundert allein hierzulande. Das müsste doch eigentlich für die nächsten 1000 Jahre genügen, oder? 

Wer immerfort liebdienert, wer antichambriert, um einen persönlichen Nutzen dadurch zu erzielen, verliert früher oder später ebenfalls seine Würde restlos, auch wenn er dann vielleicht bereits durch die Liebdienerei  in Geld, Amt und Würden schwimmen mag. Auch er ist verloren für alle Zeiten.

Helga König

* Martin Seel  "111 Tugenden-111 Laster"

Samstag, 12. Januar 2019

Sonntagskolumne, Helga König, 13.01.2019

Twittern ist ja gewissermaßen eine "Kulturtechnik". (Raimund Schöll)

Jeder, der sich im Internet aufhält, erlebt früher oder später aktiv oder passiv das rüde Verhalten von Mobbern, Stalkern, Trollen und/oder das Bashing von Personen mittels eines Shitstorms, wo labile User zumeist unter Führung eines Obermobbers ein Opfer verbal zu lynchen suchen.

Die sprachlichen Entgleisungen, die man dann im Sekundentakt nachlesen kann - oft sehr sexistisch formuliert-, die Beleidigungen, Rufschädigungen und auch Drohungen mit körperlicher Gewalt sind alles andere als bloße Kavaliersdelikte. Es sind Fanale für eine Enthemmung der dunklen Seiten schwieriger Charaktere, die sich m.E. letztlich auch in der Gewalt auf unseren Straßen niederschlägt.

All das, was im Internet seitens der Mobber, Trolle und Stalker geschieht, ereignet sich in der Regel unter dem Deckmantel von Nicknamen, weil die Akteure sehr genau wissen, dass sie strafbare Handlungen begehen, mit dem, was sie da treiben.

Sobald ein Gemobbter sich zur Wehr setzt, wird er hämisch als Jammerlappen diffamiert, nicht nur von den Mobbern, sondern oft auch von unbeteiligten Usern, die – speziell, wenn es sich um namhafte Personen der Öffentlichkeit handelt- erwarten, dass diese ohne Selbstempathie über das rüde Verhalten, das ihnen entgegengebracht wird, hinwegschauen.

Zynisch empfohlen wird ihnen dann, die Narzissmus-Anteile der eignen Persönlichkeit näher zu betrachten und an deren Auflösung zu arbeiten, anstelle wegen der Diffamierungen und Beleidigungen zu schmollen oder sich gar zu echauffieren.

Die infamen, täglichen Lügen der Nazis heizen die ohnehin nicht immer friedliche Stimmung im Netz noch mehr auf. Sobald man sich dezidiert gegen die Nazis positioniert, sei es durch bestimmte Kürzel im Profil oder aber durch Tweets, dauert es nicht lange und man hat einen dieser oft sehr geschulten Stänkerer an der Backe, der versucht, so lange zu provozieren, bis man unbedacht oder verärgert etwas sagt, das zu Sperrung des eigenen Accounts führt.

Auf diese Weise haben immer weniger Menschen Mut, offen unter Realnamen ihre Meinung zu sagen oder sich zu einem Bashing –Opfer wie im jüngsten Fall die Journalistin #Nicole_Diekmann zu bekennen. Aber es wird auch schwieriger, öffentlich Überlegungen anzustellen zu einem Video wie jenem, das den Tathergang der Gewalttat an Frank Magnitz zeigt.

Hier geht es um Gewalt auf der Straße, vermutlich politisch unmotiviert, wie sie tagtäglich geschieht und wie sie alle, die von solcher Gewalt hören oder diese auf dem Bildschirm sehen, ratlos zurück lässt.

Wegen dieser Gewalt auf der Straße die Aufrüstung der Polizei zu fordern, ist m. E. der falsche Weg, denn Gegengewalt fordert Renitenz heraus. 

Alles beginnt mit der Sprache und diese muss friedfertiger werden. Unsere Sprache verändert das Denken. Hier gilt es Mut zu zeigen, speziell  im Internet, wenn Sprachvandalen unterwegs sind.

#Raimund_Schöll twitterte heute Vormittag: "Twittern ist ja  gewissermaßen eine Kulturtechnik."

Genau so ist es. Kulturtechniken müssen erlernt werden, schon im Kindergarten, dann hören die Kinderkrankheiten wie "Bashing im Netz" endlich auf und gewiss minimiert sich auf diese Weise auch die Gewalt auf den Straßen.

 Helga König

Sonntag, 6. Januar 2019

Sonntagskolume Helga König, 6.1.2019

Die Hauptrolle in dem 1997 gedrehten Film "Im Angesicht meines Feindes" (Leben im Warschauer Ghetto) spielt #Armin_Müller_Stahl. Er stellt dort einen Rabbi dar, der versucht den zusammengetriebenen Juden im #Warschauer_Ghetto durch seine tiefe Gläubigkeit, Gelassenheit und Ruhe Lebensmut zu schenken, den man aufgrund der Zustände dort leicht verlieren konnte. 

Bilder von grausamster Brutalität und Kälte, Ausdruck von abgründigen Machtexzessen der deutschen Wehrmachtssoldaten sind in diesem Film stets gegenwärtig, doch auch die Angst der Opfer wird dem Zuschauer immer wieder nahe gebracht. 

Jeder Einzelne sollte sich fragen, welche Gefühle bei dem, was er da wahrnimmt, in ihm entstehen? Hass, Wut, Trauer, Verzweiflung, Ohnmacht oder was auch immer sonst? 

Der Gegenspieler des gutherzigen Rabbis ist ein widerlicher SS-Offizier, der Freude daran hat, Menschen zu demütigen, zu terrorisieren, auch zum Tode zu verurteilen und sich nicht scheut, die Tochter des Rabbis zu vergewaltigen, um auf diese Weise Vater und Tochter zu demütigen. 

Für den Rabbi wird es bei allem, was er erlebt, immer schwerer an einen Gott zu glauben, nach dessen Ebenbild wir angeblich geschaffen worden sind, stattdessen beginnt er argwöhnisch zu werden und fragt, ob nicht eventuell Gott nach dem Ebenbild der Menschen geschaffen worden sei. Wie abgründig diese Menschen sein können, erlebt der Rabbi täglich durch Hitlers Soldaten. Warum lässt Gott dies zu? 

Sein Sohn, der die Deutschen allesamt hasst aufgrund seiner Erfahrungen in Treblinka- dort wurde er gefoltert und sah, was man mit den Juden, auch den jüdischen  Kindern dort machte- ist bereit jeden Deutschen, auch deren Kinder zu töten- und zwar aus Vergeltung. Für ihn gilt das Alttestamentarische "Auge um Auge, Zahn um Zahn." Er bereitet deshalb mit anderen den Aufstand vor, denn er will sich nicht ohne Gegenwehr auf die Schlachtbank führen lassen.Wer kann ihm das verdenken?

Dem Rabbi ist eine solche Haltung fremd. Er fügt sich in sein Schicksal, versucht mit seiner Tochter ein normales Leben zu führen, in dem man auch noch lachen kann, obschon man aufgrund der Umstände und dem, was täglich geschieht, im Grunde nur noch weinen müsste. Kann es ein normales Leben in einem falschen geben? #Adorno hat diese Frage mit Nein beantwortet. Der Film kommt zu keinem anderen Ergebnis. 

Nach der Vergewaltigung seiner Tochter und der Ermordung seines besten Freundes gerät der Rabbi in eine tiefe Depression, ist wie gelähmt und macht am Ende der Filmhandlung deutlich, dass es unmöglich ist, ein friedvoller Mensch zu bleiben, wenn die Umstände dies absolut nicht zulassen, wenn alle Gesetze der Mitmenschlichkeit keine Gültigkeit mehr haben. 

Der Rabbi entscheidet sich in der für ihn im Film  ausweglosesten Situation für die Liebe und damit gegen den Hass, allerdings um den  bitteren Preis, seinen eigenen Sohn  hierfür zu opfern. Die Frage, wie sein Tun ethisch zu bewerten ist, lässt sich nur schwer beantworten, vielleicht auch überhaupt nicht. 

Helga König