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Sonntag, 31. Juli 2016

Helga König: Gedanken zum Clip „Wenn ich mir was wünschen dürfte"



Den obigen  Clip habe ich bereits mehrfach verlinkt, weil er mir nicht nur des Songs wegen, sondern auch aufgrund der Filmsequenzen sehr gut gefällt. 

Man muss sich die einzelnen Bilder häufiger anschauen, um das Gesamtwerk in seiner Tiefe zu begreifen. 

Wir sehen auf diesem Clip zunächst die Schauspielerin Marlene Dietrich im Smoking mit Zylinder, erleben sie also in Männerkleidung. Sie raucht eine Zigarette und scheint jemand zu fixieren. Das jedenfalls suggeriert ihr Blick. 

Auf der nächsten Bildsequenz nehmen wir Marlene erneut wahr, diesmal im Abendkleid mit Nerzjacke. Sie raucht auch hier. Kurz schaut sie interessiert auf und man glaubt, sie habe die Person angeblickt, die man vorher auf der Bildsequenz gesehen hat. Was hier gezeigt wird, erinnert an Narziss, der sich im Fluss verzückt bewundert. 

Es folgt eine Bildsequenz, die Anfang der 1930er Jahre entstanden ist. Man sieht Marlene hier mit dem Filmregisseur Josef Sternberg. Sie ist offenbar gerade in den USA angekommen. Noch wirkt sie nicht wie eine Diva, sondern wie eine sehr natürliche, junge Frau, die ihre leichte Verunsicherung aufgrund des Unbekannten, das sie nun erwartet, durch eine, den Betrachter beeindruckende, dabei keineswegs aufgesetzt erscheinende Fröhlichkeit zu kaschieren sucht. Dadurch ist die Ausstrahlung Marlenes auf dieser Sequenz geradezu atemberaubend schön. Das Seidentuch, das sie in der Hand hält, erzählt uns von ihrem Abschied aus Deutschland, aber auch von der Leichtigkeit, mit der sie ihr neues Leben beginnen möchte. 

In der folgenden Sequenz dann sehen wir sie als mondäne Diva im Nerz. Nun hat Marlene das Mädchenhafte, das im vorangegangenen Bild noch zu sehen war, abgestreift. Sie ist angekommen in Hollywood. Sie hat ihre neue Rolle angenommen, küsst voller Ironie eine Frau und ist belustigt, weil sie weiß, dass moralingeschwängerte Zeitgenossen dies überhaupt nicht witzig finden.

Daraufhin  dann sehen wir Marlene, aus einem Souvenirladen kommen. Sie blickt sich um, so als ob sie sich verfolgt oder beobachtet fühlt. Hier scheint sie bereits in Paris zu leben, von wo aus sie Flüchtlinge aus Deutschland und emigrierte Künstler aktiv und finanziell unterstützt. Das war ein Jahr vor Kriegsbeginn. 1939 wird sie  übrigens amerikanische Staatsbürgerin und legt die deutsche Staatsbürgerschaft ab. 

Unmittelbar danach sieht man Flugzeuge Bomben abwerfen und sieht auch, wie sie ihre Ziele treffen. Es scheint eine Fabrik gewesen zu sein, die nun in Trümmern liegt. 

Wie man aus Marlene Dietrichs Biografie weiß, kämpfte sie auf ihre Weise gegen den Nationalsozialismus, in dem sie als Sängerin an der Front für die GIS auftrat und ihnen durch ihre Lieder und ihren Auftritt für Momente  Zuversicht schenkte. Sie tanzt mit den Soldaten und schaut sie beim Tanz bewusst an. Sie küsst die jungen Männer, weiß wie ungewiss deren weiters Leben ist. Sie schenkt sichtbar Liebe und Hoffnung. 

Es ist berührend, zu sehen wie nah diese Frau all den Soldaten ist, die Europa aus den Klauen des Nationalsozialismus retten wollen. 

1947 erhielt Marlene Dietrich die Medal of Freedom, den höchsten Orden der USA für Zivilisten. Und 1950 wurde ihr der Titel "Chevalier de la Legion d’Honneur" (Ritter der Ehrenlegion) durch die französische Regierung verliehen. Die französischen Präsidenten Pompidou und Mitterrand beförderten sie wegen ihrer Verdienste späterhin zum "Officier" und schließlich zum "Commandeur" der Ehrenlegion. Wie es dazu kam, erzählt der Film in wenigen Sequenzen. Dies finde ich ebenso faszinierend, wie die in den Sequenzen enthaltene Friedensbotschaft.

Hierzu hört man den Song "Wenn ich mir was wünschen dürfte", der möglicherweise viel über das Seelenleben von Marlene Dietrich aussagt, deren Melancholie sich auf beeindruckende Art in ihren Augen spiegelt. Sie war eine bewundernswerte Frau, sehr mutig und gradlinig. 

 Helga König

Samstag, 30. Juli 2016

Helga König: Sonntagskolumne 31.7.2016

"Um einen guten Liebesbrief zu schreiben, musst du anfangen, ohne zu wissen, was du sagen willst, und endigen, ohne zu wissen, was du gesagt hast." (Jean- Jacques Rousseau) 

Verfasser dieser zum Nachdenken anregenden Sentenz ist der französisch- schweizerische Philosoph und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau (1712-1778). Er war nicht nur der Autor von berühmten gesellschaftspolitischen, poetischen und pädagogischen Schriften und Bekenntnissen, sondern schrieb auch den Roman "Julie oder Die neue Heloise". 

Jeder, der sich mit den großen Liebenden der Geschichte näher befasst hat, kennt den Namen Heloise. Sie war jene bemerkenswert intelligente, schöne Tochter aus adeligem Hause, die sich in ihren Hauslehrer verliebte und als Priorin einer Abtei in der Champagne 1164 verstarb. Dazwischen spielte sich eine Tragödie ab, die selbst bei den alten Griechen für Entsetzen gesorgt hätte. 

Der Mann, den Heloise liebte und begehrte, hieß Peter Abaelard. Er wurde in späteren Jahren zum bedeutendsten Philosophen seiner Zeit, möglicherweise als Ergebnis unsäglichen Leids, das er transformiert hatte, weil die Vernunft es ihm gebot. 

Als Heloise von ihrem Geliebten schwanger wurde, ließ ihr Onkel aus Rache Abaelard entmannen. Der Verstümmelte überlebte jedoch die grausige Bluttat und zog sich in das Kloster Saint Denis zurück. Heloise trat den Benediktinerinnen bei und ging ebenfalls einen klösterlichen Weg. Die beiden Liebenden schrieben sich bis zum Ableben Abaelards  Briefe, die weltbekannt wurden. 

Rousseau verfasste in Erinnerung an Abaelard und Heloise den Briefroman "Julie oder Die neue Heloise", der allerdings nicht Gegenstand der Kolumne ist. Ich erwähne den Roman deshalb, weil obige Sentenz auf diesem Hintergrund besser zu verstehen ist. 

Gewiss hat sich Rousseau, der berühmte Fürsprecher des Gefühls, der sich gegen die Dominanz aufklärerischer Vernunft positionierte, mit den Briefen des mittelalterlichen Liebespaares näher befasst als er seinen Roman schrieb und wusste auch um Peter Abaelards Affinität zur Vernunft lange vor der Zeit der Aufklärung. Möglicherweise sogar ist obige Sentenz das Ergebnis der Beschäftigung mit den Briefen von Heloise an ihren Geliebten.

Liest man diese, erkennt man, dass zum Schreiben von wirklich guten Liebesbriefen eine tiefe Sehnsucht notwendig ist und uns als Leser solche Briefe dann am meisten berühren, wenn wir, um die Aussichtslosigkeit der Erfüllung besagter Sehnsucht wissen. 

Mir fällt kein tragischer endendes Liebespaar ein, als Heloise und Abelard. 

"Die größte Liebe ist immer die, die unerfüllt bleibt", schreibt Peter Ustinov. Wenn dem tatsächlich so ist, sind die schönsten Liebesbriefe vermutlich jene, die aus Sehnsucht zur unerfüllten größten Liebe verfasst werden, sind die schönsten Briefe jene von Heloise an Peter Abaelard.

Helga König

Anbei ein Link zu Briefauszügen von Heloise  an Peter Abelaerd: Briefauszüge

Samstag, 23. Juli 2016

Helga König: Sonntagskolumne, 24.7.2016

Solange in den Kategorien Freund-Feind gedacht wird, wird es Massaker, wie wir sie jetzt gerade in München, Würzburg, Nizza und in der Türkei entgegen gebracht bekommen haben, geben.

Je mehr Hasstiraden im Netz das Freund-Feind-Denken schüren, umso schlimmer wird der Zustand auf dieser Welt. Dabei dienen religiöse, politische oder gesellschaftliche Motive als Legitimation für extrem aggressives Handeln, um dann mittels Freund-Feind-Denke seinem Selbsthass freien Lauf lassen zu können und Mitmenschen zu verletzen oder gar zu töten. 

Der Feind wird gedanklich zum Unmenschen umgeformt, um ihn terrorisieren zu können. Ob nun mit Messern, Gewehren, Baseballschlägern, Beilen, Autos, LKWs oder gar Flugzeugen Blutbäder angerichtet werden, ist für die Frage "Was treibt einen Täter an?" unerheblich. 

Klar sein muss, dass solche Psychopathen, denn um diesen Personenkreis handelt es sich, nach Möglichkeit sehr viele "Feinde" töten wollen, weil nur das ihnen Befriedigung verschafft. Sie wollen Macht über ihre "Feinde" haben, weil es ihnen an Selbstbeherrschung fehlt und sie sich nur von ihrer Aggression treiben lassen. Was stattfindet ist eine Ersatzhandlung, die die Unfähigkeit zur Selbstdisziplin  vertuschen soll.

Extrem aggressive Psychopathen machen selbst vor Kindern nicht halt, wie wir gerade jetzt in Nizza gesehen haben. Sie scheinen die Verbundenheit mit der Außenwelt verloren zu haben und gänzlich ohne Mitgefühl zu sein. KZ-Personal tickte einst bekanntermaßen genau so. Für Machtmenschen sind solche Leute ideale Erfüllungsgehilfen in ihrem Rausch, die Welt zu erobern, wie die Geschichte aber auch die Gegenwart eindeutig zeigen. 

Was kann man tun, damit nicht Woche für Woche weitere Massaker für Angst und Schrecken sorgen? 

Gewaltvideos, "Baller-Spiele" und Hass-Accounts sollten umgehend rigoros gelöscht werden. Gewalt darf nicht verherrlicht werden, denn so lange dies geschieht, wird es Menschen geben, die genau darin, eine Legitimation sehen, Blutbäder im tatsächlichen Leben anzurichten, um ihrem Aggressionstrieb hemmungslos nachzugehen. 

Hass zu minimieren, beginnt damit, dass man genau darauf achtet, wie man etwas sagt. Deeskalation ist der einzige Weg, um Psychopathen zu coolen. Jede Form von Konfrontation bringt diesen Menschentyp zu Raserei. Narzisstische Wutanfälle  lösen diese furchtbaren Blutbäder letztlich aus. Das kann nicht oft genug gesagt werden.

Friedliche Kommunikation und Achtsamkeit sind geboten. Im anderen nicht den Feind sehen, sondern den Menschen, der vielleicht vor sich selbst geschützt werden muss, nur das kann der Weg sein, das Risiko zu minimieren, dass unschuldige Menschen Opfer von geisteskranken Tätern werden. 

Mein Mitgefühl gilt den Opfern und deren Angehörigen.

Helga König

Sonntag, 17. Juli 2016

Helga König: Sentenzen bis 17.07 2016

Das Wesentlichste, was wir alle wissen müssen, ist, dass alles seine Zeit hat. Das gilt für Gutes wie für Schlechtes in unser aller Leben.

Wer nach fairen Lösungen sucht, ist ein Geschenk für die Gemeinschaft.

Machtbesessene drängen stets an die Schaltstellen der Macht. Wenn sie die Macht in den Fingern haben, beginnt Gnadenlosigkeit. Immer.

Machtbesessene sind Egomanen. Wer sich ihnen widersetzt, muss damit rechnen, von ihnen getötet zu werden. Narzisstische Wut ist abartig.

Sich zu irren und dies auch zu bekennen, zeugt von Selbstbewusstsein.

Die Welt kommt dann zur Ruhe,wenn Fairness zum obersten Wert erklärt und ein allgemeines Bewusstsein für den Sinn des Wertes geschaffen wird.

In jedem Jahrhundert tauchen Machtbesessene und Gierhälse auf, die viel Unheil auf dieser Welt anrichten. Wie kann man ihren Rausch stoppen?

Gier und Machtbesessenheit sind die Schatten-Prinzipien auf dieser Welt. Überall, wo sie hervorbrechen, entsteht Leid und Elend. 

Zu glauben, dass ein Machtbesessener sich an Rechtsstaatlichkeit hält, möchte ich bezweifeln.

Überall Leid, Mord und Totschlag. Es ist unerträglich. Wann erwacht die Menschheit endlich aus ihrem Egotrip aus Gier und Machtbesessenheit?

In einer Demokratie sollte das Menschenleben den höchsten Wert haben.

Narzisstische Machtmenschen ticken alle gleich. In ihrem Umfeld sind ausschließlich Speichellecker geduldet.Widerspruch bedeutet Todesurteil.

Machtmenschen werden zu niederträchtigen Psychopathen, wenn die Macht in Frage gestellt wird.

Seit den Zeiten der sozialen Netzwerke muss uns bewusst sein, dass wir in einer Weltgemeinschaft leben und weltweit Verantwortung tragen.

Europa sollte ein Ort des Friedens werden, nach all diesen furchtbaren Jahrhunderten der mangelnden Erkenntnis.

Jeder Mensch, auch wenn es ihm nicht bewusst ist, möchte seiner Begabung gemäß leben und wirken und daran nicht gehindert werden.

Die Entmenschlichung junger Menschen findet auf Fanatisierungsplattformen im Internet statt. Terror beginnt im Kopf.

Unsere Welt befindet sich derzeit vielerorts in einem geisteskranken Zustand von Gier, Fanatismus und unglaublicher Aggression.

Wir Europäer müssen humanistische Werte sichtbar leben und Humanismus in die Welt tragen. Vielleicht hört dann endlich der Fanatismus auf.

Man muss im Internet massiv gegen Hetze vorgehen, um den Nährboden für Aggression und Terrorismus nicht weiter zu befeuern.

Veränderungen zum Positiven geschehen dann, wenn sich das Bewusstsein entsprechend verändert. Bewusstsein verändert sich durch Aufklärung 

Um unaufgeregt zu analysieren, benötigt man einen gewissen zeitlichen Abstand. 

Menschen, die nur von ihren spontanen Emotionen geleitet werden, sind in der Regel unzuverlässig. 

Es gibt unsichere Leute, die sich durch die bloße Anwesenheit selbstsicherer Menschen gekränkt fühlen und hoch aggressiv reagieren. 

Korruption ist eine Realität, die überall, wo sie stattfindet für viel Unheil sorgt. 

Speichellecker tummeln sich stets um Sieger, auch dann wenn der Sieg durch Betrug zustande gekommen ist. 

Wer seine Kinder zu Ehrlichkeit und Offenheit erzieht, muss ihnen zugleich Arglosigkeit nehmen, damit sie das Leben bestehen können.

Arglosigkeit ist keine Frage minderer Intelligenz, sondern eine mangelnder Erfahrung mit abgründiger Schlechtigkeit. 

Ehrgeizige, dabei nicht sonderlich begabte Menschen agieren mittels Intrige aus dem Hinterhalt, um ans Ziel zu kommen, nicht durch Leistung.

Wer Opfer einer Intrige wird, hat zunächst kaum eine Chance, sich gegen die Machenschaften zu wehren. Zunächst, wie gesagt. 

In einer kommerzialisierten Welt, wird alles, was man gratis erhält, leider allzu als wertlos betrachtet.

Helga König

Sonntag, 10. Juli 2016

Helga König: Sonntagskolumne, 10.7.2016

Der Philosoph Prof. Dr. Wilhelm Schmid twitterte gestern nachstehende Sentenz: "Mit jedem Gespräch, auch mit jedem Tweet, durchbricht ein Mensch die Umgrenzung, in der er gewöhnlich lebt. Offenbar großes Bedürfnis danach."

Stimmt das? 

Wer an einem Gespräch mit einer oder mehreren Personen interessiert ist, möchte Gedanken austauschen. Dazu sind Gesprächspartner notwendig, die man im trauten Umfeld ebenso finden kann, wie anderen Orts, sofern man nicht isoliert von seinen Mitmenschen lebt und erkennbar bereit ist, sprachlich mehr als bloße Statements abzugeben.

Wer verbale Kommunikation anstrebt, sei es,  um zu plaudern, zu diskutieren, zu debattieren oder auch bloß aus reiner Freude an Konversation, akzeptiert stillschweigend, dass es im Gespräch einen Sprecher und einen oder mehrere Zuhörer gibt, deren Rollen wechseln. Er möchte keine Monologe halten, sondern sich den Gedanken anderer öffnen und damit wie auch immer gestaltete persönliche Umgrenzungen aufheben. Das geschieht, indem man aus dem eigenen Gedankenraum heraustritt. 

Immer dann, wenn man bereit ist, sich im Gespräch auf Gedanken von Gesprächspartnern einzulassen oder eigene Gedanken für Dritte nachvollziehbar neu zu überdenken und dabei sogar von alten Denkmustern abrückt, bewegt man sich - für Dritte erkennbar - von seinem eigenen Tellerrand weg und überschreitet auf diese Weise Grenzen, hin zu neuen Denkmöglichkeiten. 

Extravertierte Menschen haben  diesbezüglich selten Probleme. Introvertierte Zeitgenossen hingegen sind oft zögerlich, obschon der Wunsch nach Gedankenaustausch groß sein kann und sie sich im Grunde gerne der als lästig empfundenen Umgrenzung entledigen möchten. Hier geht es darum, Ängstlichkeit und Verunsicherungen zu überwinden und aufgeschlossener zu werden. 

Anders hingegen sieht das bei notorischen Rechthabern aus. Sie wollen das Visier nicht hochklappen, wollen keine Schritte auf andere zugehen, eigene Denkmuster nicht zur Disposition stellen, um dadurch aufs unbedingte Rechthaben zu verzichten.  Diese Spezies möchte im eigenen Denkraum verharren, aus diesem heraus ihr Umfeld mit kränkenden Wortsalven attackieren und zwar in der Absicht, die eigenen Gedanken als allgemeines Denkmuss durchzusetzen. Der Attackierte soll geplättet werden.

Marie Freifreifrau von Ebner-Eschenbach definierte einst "Gespräch ist gegenseitig distanzierte Berührung." Diese Definition bringt es auf den Punkt und erklärt zudem die Sehnsucht nach Gesprächen. Wer, wenn auch distanziert, berühren möchte, muss sich aus seiner Umgrenzung herausbewegen, denn nur so ist Berührung möglich. Wer berührt wird, spürt seine Seele, spürt, dass er lebt. Wer unberührt in seinem Gedankenkäfig verharrt, ahnt, dass er in gewisser Weise bereits tot ist, erfährt, was Kommuniktionsverweigerung mit Menschen macht und wünscht sich Erlösung. Selbst notorische Rechthaber sehnen sich vermutlich danach. Diese können sie aber nur finden, wenn sie von ihrer sie verkrampfenden Position abrücken. 

Nicht nur mit jedem Gespräch, sondern auch mit jedem Tweet durchbricht ein Mensch, die Umgrenzung in der er lebt, schreibt Wilhelm Schmid. 

Das trifft meines Erachtens zu, wenn wir einen Tweet als Kommunikationsangebot begreifen, d. h. bereit sind, uns auf einen Meinungsaustausch über den  getwitterten Bild- oder Gedankengegenstand einzulassen. 

Schon ein Beherzen und Retweeten bedeutet,  auf distanzierte Tuchfühlung mit demjenigen gegangen zu sein, der den Tweet gepostet hat. 

Die Botschaften lautet dann "Sehe ich auch so" bzw. "Verlinke ich weiter, damit andere Deine Botschaft auch lesen können."  Damit sind Sender und Empfänger aus ihren Gedankenräumen für kurze Zeit herausgetreten und haben ihrem Bedürfnis nach  zwischenmenschlicher Nähe für einen Moment Rechnung getragen.

Wird begonnen auf einen Tweet verbal zu reagieren und zwar nicht,  indem Statements abgegeben werden, sondern indem sich ein freundliches Gespräch zwischen Sender und einem oder mehreren Empfängern entwickelt, wird für die Dauer des Dialogs das Gefühl überwunden, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein und in der Hölle gedanklicher Einsamkeit leben zu müssen. 

Das ist bei allen Gesprächen so, die wir führen, auch wenn wir uns dies nicht immer bewusst machen. 

Wer begriffen hat, dass uns Gespräche gedankliche Freiheit schenken, wird sie immer wieder suchen, sich danach sehnen und sie nicht mutwillig zerstören durch halsstarrige Rechthaberei.

Die sozialen Netzwerke tragen dem Wunsch vieler Menschen, gedankliche Nähe herzustellen, Rechnung. Hier können die Dialogfähigkeiten spielend geschult werden, die uns kommunikativer und entspannter aufeinander zugehen lassen. 

Das meiste Negative in dieser Welt ist zurückzuführen auf Kommunikationsblockaden. Das sollte zu denken geben. Geben wir also unserem Bedürfnis nach bereichernden Gesprächen nach und tragen so unseren Teil zur Befriedung der Welt bei.

Helga König

Samstag, 2. Juli 2016

Helga König: Sonntagskolumne, 3.7.2016

"Wir leben zwar in einem Zeitalter der Kommunikation, doch die Menschen kommunizieren schlechter denn je". (Peter Duss) 

Diese Sentenz las ich heute auf Twitter und begann nachzudenken, ob das wirklich generell zutrifft oder ob es nicht eher so ist, dass die neuen Kommunikationsmittel subtilerer Kommunikationstechniken bedürfen. 

Weder im Geschäftsleben noch privat ist es sinnvoll, den Gedankenaustausch mit räumlich von uns getrennten Personen ausschließlich im Internet vorzunehmen. Begleitende Telefonate sind unumgänglich, wenn man Bindung anstrebt oder vertiefen möchte. Reine Internetkontakte zeichnen sich nicht selten durch Wankelmut aus, was geschäftlich wie privat zu großen Verwerfungen führen kann. 

Telefongespräche erleichtern Rückfragen und lassen sofort erkennen, ob der Gesprächspartner uns verstanden hat. Im Rahmen von reinen Internetdialogen kann das sehr zeitaufwendig werden und das vorzeitige Aus bei Geschäftsabschlüssen bedeuten. 

Bei Gesprächen mit Personen, die räumlich nicht von uns getrennt sind, nehmen wir neben dem Gesagten - bewusst oder unbewusst - natürlich auch die Körpersprache wahr, die uns hilft, die tatsächliche Botschaft, die vermittelt werden soll, zu entschlüsseln. 

Beim Telefonat ist es der Klang der Stimme und die Intonation, die den gesprochenen Text schneller und besser verstehen lässt. Im Internet nun haben wir es ausschließlich mit Textbotschaften zu tun und diese setzen voraus, dass der Schreiber sich verbal zu präzisieren in der Lage ist, wenn das Gesagte den Adressaten zufriedenstellend erreichen soll. 

Um dieses Ziel relativ sicher zu erlangen, arbeiten einige Großfirmen mit Textbausteinen. Auf diese Weise aber werden auf Dauer die Kunden verärgert, weil die dadurch vermittelte Anonymität sie kränkt und sie sich nicht wirklich verstanden fühlen, auch wenn die Textbotschaft sie inhaltlich erreicht. 

Es ist also notwendig, sich viel intensiver als in vorangegangener Zeit damit zu befassen, facettenreich und dabei kurz und bündig schreiben zu können. In Firmen geht es nicht mehr nur darum, gute Geschäftsbriefe zu formulieren, wenn man seinen Lieferanten oder Kunden etwas mitzuteilen hat, sondern auch darum, Kommunikationstechniken im Rahmen des schriftlichen Small-Talks zu erwerben, die die Kommunikation im Netz erleichtert und zum Verweilen animiert.

Berufsschulen sind nun aufgefordert, Auszubildenden in kaufmännischen Berufen hier grundsätzliche Kommunikationstechniken zu vermitteln, die über den reinen kaufmännischen Schriftverkehr hinausgehen. 

Unternehmen müssen sich jetzt ernsthaft mit Sprachpsychologie befassen, um die Macht des geschrieben Wortes zu begreifen.  

Wer bereits negative Erfahrungen im Netz sammeln konnte und diese analysiert hat, wird wissen, dass es fast immer nur ein unreflektiert geschriebenes Wort war, das einen Empfänger tödlich beleidigt und in Anti-Haltung gebracht hat. Man darf keine Sekunde die Eitelkeit des Lesers unterschätzen. Sie ist zumeist gewaltig.

Geschriebene Sprache hat stets den Beigeschmack von Endgültigem. Das sollte man bedenken. Zwar ist im Netz alles rasch korrigierbar, doch unsere Erfahrungen, was das geschriebene Wort anbelangt, stammen aus einer Zeit, wo sich dies anders verhielt. Aus dieser Zeit auch rühren die Verunsicherungen und daraus resultierenden Unpässlichkeiten her.

Wenn wir also im Netz kommunizieren, geschäftlich oder auch privat,  sollten wir darauf achten, sprachlich  ganz bewusst wertzuschätzen,  anstelle  unüberlegt abzuwerten. Wir sollten auch konkret sagen, was wir möchten, sollten im Dialog nach Lösungen suchen, sofern Probleme auftauchen und auf einen gesunden Ausgleich im Gespräch achten. 

Auf dieser Basis lassen sich geschäftliche und private Botschaften entspannter transportieren. Genau das ist wichtig, um gute Ergebnisse zu erzielen. Gute Ergebnisse sind solche, die uns nachts ruhig schlafen  lassen.

Kurzum: Die neue Lernaufgabe heißt Sprachpsychologie. Sie bedeutet u. a. zu begreifen, dass Gesichtsverlust beim Gesprächspartner aufgrund unserer Äußerungen ein NOGO im Dialog darstellt. 

Was bewirken wir  durch Sprache? Eine Frage, mit der man sich viel ausführlicher beschäftigen muss als noch vor 10  Jahren. Lernen wir  also unsere Worte so zu nutzen, dass sie informieren aber niemals verletzen.

Helga König