Impressum

Das Impressum finden Sie auf der Hauptseite von "Buch, Kultur und Lifestyle- Das Magazin für den anspruchsvollen Leser" wwww.rezensionen.co

Samstag, 24. Juni 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 25.6.2017

"In den besten Momenten fühlt sich mein #Gehen an wie Ankommen bei mir selbst." (Torsten Wirschum)

Der saarländische Autor Torsten Wirschum, einer meiner Twitter- und Facebook-Follower, erfreut sein Netzwerk mit sehr einfühlsamen Fotos, die er auf seinen Wanderungen durch unterschiedliche Regionen in Deutschland realisiert hat. Heute Morgen nun postete er eine Aufnahme von einem geheimnisvollen Waldweg und fügte den Satz hinzu "In den besten Momenten fühlt sich mein #Gehen an wie Ankommen bei mir selbst."

Diese Bemerkung macht neugierig. Man möchte Näheres über den Autor und Fotografen in Erfahrungen bringen, dem es offenbar um weit mehr geht, als um Bewegung in frischer Luft und das Ablichten dessen, was er während seiner Exkursionen sieht.

Macht man sich auf seinem Twitter- und Facebookprofil kundig, erfährt man, dass der Autor Blogger ist und dort ein "Wandertagebuch"  schreibt. Seine Texte überraschen, weil sie voller Poesie sind.

"Das grünlich schimmernde Licht auf den Blättern.
Das helle Gelb, dort, wo die Sonnenstrahlen sich im
Gras verfangen.
Das rotgoldene Licht des Spätnachmittags.
Gerüche:
Der Wald, die Erde.
Ich gehe gleichmäßig.
Im sanften Wind gehe ich, durch den schweigenden Wald.
Ich atme ein.
Ich atme aus.
Kurve folgt auf Kurve, Biegung auf Biegung."

Ein solches Gehen ist Meditation und lässt tatsächlich bei sich selbst ankommen. 

"Ich bin ohne Eile unterwegs
Es ist warm, der Himmel über mir leuchtet in einem sanften,
hellen Blau und das Gehen fühlt sich so angenehm an, als
würde ich barfuß über einen Blütenteppich dahinschreiten.
Es hat schon unbehaglichere Anfänge auf meinen Wanderungen gegeben.“

"Meine Gedanken kommen und gehen und ich versuche
nicht zwanghaft, sie festzuhalten. Kaum jemals sonst
bin ich mehr im Hier und Jetzt verwurzelt als bei einer
solchen halb ziellosen Bewegung auf einen noch fernen
Endpunkt zu, aber so etwas kommt von selbst oder es kommt
gar nicht.
Man kann es vielleicht auch so ausdrücken: Ich gehe nicht,
um etwas zu finden. Wenn überhaupt, dann finden die Dinge
mich."

Während ich diese Zeilen lese, denke ich an einen buddhistischen Mönch, denke aber auch an Goethe, Heine und all die anderen bewussten Wanderer vergangener Zeiten, die in wohlgesetzten Worten oder Bildern ihre Reiseeindrücke festgehalten haben, nicht zuletzt auch Albrecht Dürer, dessen nahezu lyrische Aquarelle offenbaren, was er auf seinen Reisen empfunden hat. 

Nur wenn man zu Fuß unterwegs ist und immer wieder bewusst innehält, schaut, bewundert und darauf achtet wie alles auf uns wirkt, lernen wir zu begreifen, wie sehr wir Teil der Natur sind und weshalb wir sie nicht mit Füßen treten dürfen. 

Torsten Wirschum hat eine gewisse Anzahl Romane über das Gehen auf seinem Blog aufgelistet, darunter auch die "Harzreise" von Heinrich Heine und Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg." Die Reflektionen dieser längst verstorbenen Schriftsteller verändern ganz gewiss den Blick beim Gehen.  

Worin unterscheidet sich das "Wandern" eigentlich vom "Gehen"? 

Wandern sei eine Form weiten Gehens von mehreren Stunden, liest man bei Wikipedia. Diese sachliche Definition führt weg von dem Vorurteil, das mit der typisch deutschen Wanderlust in Verbindung gebracht wird, die sehr weit entfernt vom meditativen Gehen angesiedelt ist.

"Gehen über mehrere Stunden als Ankommen bei sich selbst zu begreifen", bedeutet ganz gewiss alleine oder schweigsam zu zweit oder mehreren, sich alles andere als im Marschschritt zu bewegen, am besten entlang eines Flusses oder um einen See, vielleicht auch irgendwo am Meer oder dort, wo viel Grün zu sehen ist. Was man sieht, muss beruhigen, wenn Gehen zum meditativen Akt werden soll.

Landschaften so zu erfassen, wie sie gedacht sind und zu erspüren, was sie mit uns machen, ist möglicherweise das Geheimnis, das man erst beim stundenlangen Gehen lüften kann. 

"Die Sonne leuchtet die Landschaft bis in den allerletzten
Winkel aus. Alles wirkt plötzlich unglaublich weit und
ich bin mittendrin in dieser leuchtenden Weite."

Stundenlanges Gehen lässt möglicherweise die leuchtende Weite in uns begreifen, die Grundlage dafür ist, das sich innere äußere Bilder ergänzen. 

"Ich durchforsche nicht etwa bewusst die Katakomben meiner
Erinnerungen, die Bilder leuchten einfach auf hinter meiner Stirn wie Lichtbündel im Dunkel."

Das ist ein Einblick in die Poesie eines Menschen, der durch seine Art zu gehen, an jene erinnert, die vormals als Pilger unterwegs waren. Doch im Unterschied zu diesen Wanderern scheint bei Torsten Wirschum der Weg das Ziel zu sein.

Helga König

Zitate: Torsten Wirschum  von seinem Wandertagebuch

Sonntag, 11. Juni 2017

Helga König, Sonntagskolumne, 11.6.2017

"Ein Bild ist weit nützlicher als tausend Worte." (Aus China) 

Heute möchte ich mich im Rahmen meiner Sonntagskolumne mit Emojis befassen, die u.a. Twitter aber auch Facebook ihren Usern zur Verfügung stellt, um Sprach- und Gefühlsbarrieren zu überwinden. 

Jene Bildschriftzeichen, die Smileys und Personen zeigen, eignen sich sehr gut dazu, einen Gefühlszustand rasch zu vermitteln und dem Leser visuell zu verdeutlichen, welche momentane Stimmungslage einem Text, den man gerade gepostet hat, zugrunde liegt oder wie ein Kommentar, den wir erhalten haben, auf uns wirkt. 

Oft sagt ein lächelndes Gesicht oder dessen Gegenteil mehr als Worte und verhindert aufkommende Aggression, die sich in Zynismus, Vorwürfen, Beschimpfungen etc. in den Dialogen ausdrücken kann, sei es weil im virtuellen Gespräch Sätze missverstanden wurden oder ein Schreiber einfach nur einen schlechten Tag hatte.

Es sind nicht nur Gesichter, sondern auch Bildschriftzeichen für Hände, die man im Dialog sinnstiftend einsetzen kann, sondern auch Emojis, auf denen andere Gesten dargestellt werden, die für Lebendigkeit im virtuellen Gespräch sorgen und  Grundbedürfnisse nach Geborgenheit, Zuwendung und Verständnis virtuell vielleicht ein wenig befriedigen. 

Alle Welt spricht von sozialen Kompetenzen, die es zu kultivieren gilt. Freundlichkeit ist eine der wichtigsten Kompetenzen in diesem Bereich und unumgänglich für ein gutes Miteinander. Mangelnde Unterstützung und fehlender Zusammenhalt lassen Gemeinschaften aller Art zerbrechen. Ein positives Feedback ist nicht nur in den sozialen Medien wichtig, um dies zu verhindern. 

Deshalb verhält man sich keineswegs kindisch, wenn man ein Blümchen, ein Kleeblatt oder eine Sonne aber auch ein Herz an einen Text anfügt, um dadurch bei anderen uneigennützig Freude zu bewirken. 

Weibliche User gehen vielleicht etwas unbefangener mit den Emojis um. Möglicherweise hängt dies mit ihren Jungmädchen-Erfahrungen mit Poesiealbum-Bildern zusammen. Auch damit konnte man einst Freude bewirken und war glücklich, wenn dies gelang. 

Eine Kommunikation gilt dann als geglückt, wenn sie Freude zum Ergebnis hat, selbst nach hartem intellektuellen Ringen im Rahmen eines schwierigen Gesprächs. Das wird leider zu oft vergessen. 

Helga König

Sonntag, 4. Juni 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 4.6.2017

Ein Geist auf Zeit, der Zeitgeist. © Franz Friedrich Kovacs 

Heute am Pfingstsonntag möchte ich über den Geist auf Zeit, sprich den Zeitgeist nachdenken. Bei ihm handelt es sich um die Denk- und Fühlweise eines Zeitalters. Wer schon etwas länger lebt, hatte Gelegenheit, immer neue Denk- und Fühlweisen kennenzulernen, die gesellschaftsübergreifend und auch in unterschiedlichen Generationen erkennbar, zu immer neuen Verhaltensmustern führten. 

Der Zeitgeist im Nationalsozialismus wird uns Nachgeborenen stets fremd bleiben und wir werden beim Reflektieren der Folgejahrzehnte feststellen, dass der Zeitgeist letztlich fast bis ins Jetzt hinein an unterschiedlichen Orten sehr verschieden ausfallen konnte, deutlich erkennbar in den Zeiten vor der Wende in Ost- und Westdeutschland. Erst das Internet hat den Zeitgeist tatsächlich globalisiert.

Zeigt sich der Zeitgeist aus längst abgelebten Zeiten abermals, kann er durchaus bei Ewig-Gestrigen noch Eindruck schinden, sorgt jedoch ansonsten zumeist nur für irritiertes Kopfschütteln. Dies ist keineswegs bloß in der Mode so, sondern auch in der Politik und vielen anderen Denk- und Handlungsbereichen von uns Menschen. 

Gestern twitterte ich "Unser Zeitgeist: Der Versuch, einem Gedanken nur 140 Zeichen Raum zu geben, heißt dem Barockenen abgeschworen zu haben." Peter Darth kommentierte "ohne Schnörkel" und brachte es auf den Punkt. 

Ja, wir leben in einer schnörkellosen Zeit, in der man bemüht ist, alles zu vereinfachen, um Freiräume zu schaffen für all das, was das Leben lebenswerter machen könnte. Wir unterwerfen uns keinen Modediktaten mehr und sind genervt, wenn uns Redner mit Reden ohne Inhalt die Zeit stehlen möchten. Auch wagen wir es nicht mehr, lange Briefe zu schreiben, denn wir wissen, dass der Zeitgeist dagegen steht und solche Elaborate ungelesen im Papierkorb landen. 

So nutzen wir die Zeit zu anderem. Wir entwickeln neuerdings vielleicht ungeahnte Freude beim Fotografieren, Malen, Zeichnen, bei kunsthandwerklichen Tätigkeiten, beim Gärtnern, Musizieren oder auch beim Verfassen von Gedichten und entziehen uns, den Sinn der Kreativität entdeckend, dem momentanen Zeitgeist, der alles Individuelle an uns abschleifen möchte, um uns zu suchtgesteuerten Lemmingen der Konsumgesellschaft zu machen. 

Dieser Zeitgeist, der den Narzissmus und Egoismus befördert hat, verabschiedet sich übrigens gerade. Man sieht den neuen Zeitgeist bereits am Horizont. Er ist auf  Gestalten, Teilen und Kollaborieren, auf Mitgefühl und Anteilnahme ausgerichtet. Er achtet auf die Individualität des Einzelnen, die durch das Sein und nicht mehr durch das Haben definiert wird. Gehen wir nun etwa dem Paradies entgegen?

Nein. Machen wir uns nichts vor, auch dieser Zeitgeist wird vergehen. Das entspricht seiner Natur, die Veränderung heißt. 

Fontane konstatierte einst, dass Veränderung das Los des Lebens sei und Machiavelli formulierte: "Eine Veränderung bewirkt stets eine weitere Veränderung." So tickt der Zeitgeist eben. Deshalb sollten wir uns nachstehenden Satz Dalai Lamas bewusst machen: 

"Da alles ständig im Wandel ist, kann nichts auf Dauer unverändert existieren." © Dalai Lama

Den Sinn all dessen können wir nur deuten.Vielleicht liegt er im inneren Wachstum begründet. Vielleicht ist es aber auch nur eine Spielerei des Universums...

Nehmen wir also hin, was nicht zu ändern ist: DIE VERÄNDERUNG und verändern das, was zu ändern ist: ein unschöner ZEITGEIST. 
  
Helga König