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Samstag, 23. Februar 2019

Sonntagskolumne Helga König, 24.2.2019

"Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen." Karl Theodor Jaspers (* 23. Februar 1883- 26. Februar 1969) 

Der von mir überaus geschätzte, hochgebildete Gelehrte #Karl_Theodor_Jaspers wurde 1916 zum Professor der Psychologie und 1922  zum Professor der Philosophie in Heidelberg ernannt. Die Nazis erteilten ihm 1933 hierzulande Lehrverbot. Nach der unheilvollen braunen Zeit dann unterrichtete er von 1948-1961 als Professor Philosophie in Basel. 1967 schließlich wurde er Schweizer Staatsbürger und zwar als Reaktion auf die Wahl des ehemaligen NSDAP-Mitglieds Kurt Georg Kiesinger zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland als auch der Verabschiedung der Notstandsgesetze 1968. 

Karl Theodor Jaspers war vor der NS-Zeit mit dem Philosophen #Martin_Heidegger befreundet, doch dieser stand nicht mehr öffentlich erkennbar zu ihm als die Nazis Jaspers mit Sanktionen belegten. 

Nach dem Krieg versuchte Heidegger im Rahmen eines Briefwechsels erneut Kontakt zu Karl Jaspers aufzunehmen und schrieb 1950 an Karl Jaspers: "Ich bin seit 1933 nicht deshalb nicht mehr in Ihr Haus gekommen, weil eine jüdische Frau dort wohnte, sondern weil ich mich einfach schämte."

Karl Jaspers antwortet: "Die unendliche Trauer seit 1933 und der gegenwärtige Zustand, in dem meine deutsche Seele nur immer mehr leidet, haben uns nicht verbunden, sondern stillschweigend getrennt. Das Ungeheure, das etwas ganz anderes ist als nur Politik, hat in den langen Jahren meiner Ächtung und Lebensbedrohung kein entsprechendes Wort zwischen uns laut werden lassen. Als Menschen sind wir uns ferngerückt." 

Mit #Hannah_Arendt teile ich die Meinung, dass Martin Heideggers Verhalten charakterlos war. Insofern hatte Karl Jaspers guten Grund zum Kontaktabbruch. 

"Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen."

Was veranlasst  uns dazu, nicht mehr miteinander zu reden? 

Am Beispiel der beiden Philosophen wird ersichtlich, dass die Motive sehr unterschiedlich sein können. Im Falle Heideggers glaube ich nicht an das nachgeschobene Argument der Scham, sondern vermute als Verhaltensgrund  eher das Verhindern von möglichen Nachteilen.

Ein Mensch, der zu seinen Schattenseiten steht, ist in der Lage, diese ad hoc offen zu bekennen. Ich denke, Karl Jaspers hätte die Schwäche verstanden und sie Heidegger verziehen. Anders aber verhält es sich  mit der 1950 nachgeschobenen Begründung. 

Freundschaft verträgt keinen Verrat. 

"Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen." 

#Funkstille zu rechtschaffenen Menschen einzuläuten, weil einem durch das Bekennen der Beziehungnähe empfindliche Nachteile entstehen könnten, das ist unmenschlich und führt zu nicht wiedergutzumachenden Kränkungen. 

Helga König

vgl: zu Karl Theodor Jaspers: Wikipedia
vgl: zu Martin Heidegger: Wikipedia

Sonntag, 17. Februar 2019

Sonntagskolumne: Helga König, 17.2. 2019

#Abgrenzung hat, je intensiver sie vollzogen wird, #Isolation zur Folge. Ihr Gegenstück ist #Distanzlosigkeit. Nicht selten fällt auf, dass Menschen, die sich extrem abzugrenzen suchen, geradezu unverschämt mit anderen umgehen und die Distanz, die sie von anderen einfordern, diesen gegenüber auf keinen Fall zu wahren bereit sind. 

So werden Mauern und Eiserne Vorhänge unter fadenscheinigen Vorwänden errichtet und bestimmte Wohndistrikte als Festungen gestaltet, zugleich jedoch werden Menschen, ja ganze Völker von solch neurotischen Abgrenzern, sofern sie die Macht dazu haben, in all ihren Handlungen kontrolliert, überwacht und im schlimmsten Fall verfolgt, gefoltert oder gar getötet. 

Kontrollsüchtige Abgrenzer schufen nicht zuletzt in braunen Zeiten den Beruf des Blockwarts und am Eisernen Vorhang den Grenzsoldaten, der selbst auf seine flüchtenden besten Freunde oder Anverwandeten schießen sollte, um sie an ihrer freien Willensentscheidung, ihrer Wege zu gehen, zu hindern. 

Was kontrollsüchtige Abgrenzer demnächst in Übersee entwickeln werden, bleibt abzusehen. Manchmal gibt es ja eine Ausnahme von der Regel. Bleibt zu hoffen, dass es sich hier um eine Ausnahme handelt und man nicht restlos vergisst, dass jede Demokratie der Humanität verpflichtet ist. 

In Gesellschaften, in denen harsche Abgrenzung Programm ist, fällt #Diskriminierung als üble Begleiterscheinung sofort ins Auge. Wo diskriminiert wird, steht bekanntermaßen stets #Unfairness auf der Tagesordnung und ist  #Chancengleichheit niemals ein anstrebenswertes Ziel. 

"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" lautet die Losung abgrenzender Eltern aus höheren Gesellschaftsschichten. Auf diese Weise wird sich bemüht, Durchlässigkeit in der Gesellschaftshierarchie oder gar deren Auflösung zu verhindern und alles dafür zu tun, dass nicht die Fähigkeiten Einzelner, sondern nur der festbetonierte Status der eignen Familien für die individuelle Wohlstandvermehrung von Bedeutung ist. 

Neurotische Abgrenzung hat viel Borniertheit und unglaubliche Arroganz im Rucksack, führt zu Parallelgesellschaften und bei immer krasseren Zuspitzungen zu Revolutionen, Bürgerkriegen, ja sogar zu Weltbränden. Die Belange anderer nicht sehen zu wollen und nur seinem dummen Ego zu frönen, zeugt von einer unterentwickelten Persönlichkeit.

Familien, in denen Abgrenzung die Norm ist, zerbrechen früher oder später ganz ähnlich wie sich neurotisch abgrenzende Gesellschaften. Was nicht gelernt werden kann, ist der vernünftige, spielerische Umgang mit Freiheit, die zwar auch Grenzen kennt, aber stets verhandel- und veränderbare, in denen für Rigidität  absolut kein Platz ist. 

Der aufgeklärte Mensch, weiß wie wichtig für den Fortbestand aller der Austausch von Kulturtechniken, die Vielfalt und die Nachhaltigkeit ist. Wer hier die Schotten dicht macht, hat das Leben an sich nicht begriffen und ist langfristig zum Untergang geweiht. Welcher, vor allem junge Mensch kann das wollen?

Helga König

Sonntag, 10. Februar 2019

Sonntagskolumne Helga König, 10.2.2019

"Unfairness im Umgang mit Mitmenschen ist an der Tagesordnung, es möchte aber niemand auf seine Unfairness angesprochen werden. Gerade deshalb sollten wir das viel öfter tun. #Zivilcourage" (#Thomas_Knorra). 

Als ich ein Kind war, besaßen hierzulande Erziehungsberechtigte noch das #Züchtigungsrecht an den ihnen Anvertrauten. Seit dem  Jahre 2000 gilt die Körperstrafe an Kindern hierzulande gottlob als barbarisches Relikt vergangener Zeiten. Kinder haben jetzt das Recht auf eine #gewaltfreie_Erziehung. Leider scheint sich dies noch immer nicht überall herumgesprochen zu haben.

Dass das Züchtigungsrecht abgeschafft wurde, hängt mit der #Zivilcourage von all jenen Menschen zusammen, die sich öffentlich gegen den unsäglichen Prügelparagraphen gestellt haben. 

Ich selbst war als Vierjährige nur ein paar Tage im Kindergarten und weigerte mich fortan, diesen horriblen Ort nochmals aufzusuchen. Der Grund war eine sehr schmerzhafte Ohrfeige. Eine Kindergartenhelferin in einem evangelischen Kindergarten  schlug auf alle Kinder hemmungslos ein, die sich weigerten, nachmittags zu schlafen, weil sie lieber mit anderen Kindern spielen wollten. Aus heutiger Sicht war dies eine Ungeheuerlichkeit. Ich empfand es damals schon als ungeheuerlich.

Kinder sollten durch Prügel in Angst und Schrecken versetzt werden, damit sie ohne aufzumucken "gehorchten". Was dabei herauskam, waren nicht selten Duckmäuser oder Menschen, die zu lügen anfingen und denen später kein Mensch mehr trauen konnte. 

Dass die Kindergartenhelferin einen nationalsozialistischen Hintergrund hatte, erfuhr ich erst viele Jahre später. Gewundert habe ich mich darüber nicht.

Auch in der Grundschule erlebte ich nochmals eine Gewaltattacke seitens einer Lehrerin (vormals Mitglied der NSDAP, wie ich vor kurzem erst erfuhr). Sie schlug auf meine Tischnachbarin und mich ein, weil wir miteinander leise sprachen- aus Langeweile übrigens, da wir mit unseren Übungen schon längst fertig waren. Das war im 2. Schuljahr. 

Ich wurde Zeugin wie meine einst beste Freundin (damals 5 Jahre alt) von ihrer Mutter (ebenfalls mit Nazihintergrund) mit einem Handbesen verprügelt wurde, weil sie das Frühstücksgeschirr auf ihr Geheiß nicht gespült hatte, sondern wir stattdessen mit den Legosteinchen Häuser bauten. Natürlich erzählte ich, was ich erlebt hatte, völlig aufgelöst meinen Eltern. Ergebnis: Ich durfte wochenlang die Freundin nicht mehr besuchen, weil mein Vater nicht wollte, dass ich weitere Szenen dieser Art mit an sah. 

Keiner konnte etwas gegen diese Gewalttätigen ausrichten, denn prügeln galt - wie schon erwähnt-    gesetzlich als erlaubt. 

Interessanterweise hatte das verprügelte Mädchen die Prügelarien vergessen als ich sie einige Jahrzehnte später, kurz vor ihrem frühen Ableben, nochmals traf. Dieses Phänomen fiel mir auch bei anderen schwer Gezüchtigten auf. Sie hatten erstaunlicherweise alles vollkommen verdrängt, sich also damit nicht auseinandergesetzt. Allerdings hatten die einen noch als Erwachsene im fortgeschrittenen Alter Stimmen wie Kinder oder eine kindliche Schrift, die anderen starben extrem jung, oft depressiv und besonders schwer Gezüchtigte wurden zu krassen Lügnern und Betrügern, zu Menschen also, die andere nicht wert zu schätzen wussten. 

Jungs wurden von ihren Vätern, speziell jenen Vätern, die in Russland zuvor als Soldaten die Zivilbevölkerung abgeschlachtet hatten, brutal misshandelt, weil diese Männer durch den Krieg restlos verroht waren. Im Grunde war nahezu ganz Deutschland brutalisiert. Eine veränderte Geisteshaltung trat erst Ende 1960er Jahre allmählich ein. Meine Skepsis  gegenüber zwei vorangegangenen Generationen in Deutschland ist von daher bis heute geblieben.

Während meiner Studienzeit unterrichtete ich oft Nachhilfeschüler, die noch Ende der 1970er Jahren  mit Idiotenlehrern zu tun hatten, für die Pädagogik ein Fremdwort war. Noch immer wurden Kinder auf die Eselsbank gesetzt, wenn sie nicht "spurten", noch immer wagten sich nur wenige Eltern gegen solche Lehrkräfte  aufzustehen.

Weshalb ich davon spreche? Weil Zivilcourage nicht von Ungefähr kommt. Sie setzt eine Kindheit und Jugend voraus, in der der Mensch sich frei entwickeln kann, in der er lernt, Gut und Böse zu unterscheiden. Sie setzt einen emanzipierten Menschen voraus, der die sogenannte Obrigkeit und ihr Tun hinterfragt und vor allem mutig ist.

Wie soll ein Kind Fairness und Zivilcourage erlernen, wenn mit ihm immerfort unfair umgegangen wird, kein Erwachsener ihm beisteht und in seinem Beisein keiner unfair Handelnde zur Rede stellt? 

Zu hinterfragen, ob ein eigenes Tun fair und damit gerecht ist, setzt Selbstkritik voraus. Je narzisstischer der #Zeitgeist ist, umso weniger ist diese Selbstkritik allerdings zu erwarten. 

Wir leben erneut in einer sehr empathielosen Zeit. Der faire Umgang mit Kindern und alten Menschen lässt mehr als zu wünschen übrig. Heute geht es nicht mehr um Schläge, sondern um emotionale Verwahrlosung aufgrund von extremer Ichsucht. Kein guter Zeitgeist, denn er ist der Nährboden für die Rechtsradikalen. 

Helga König

Sonntag, 3. Februar 2019

Sonntagskolumne: Helga König, 3.2.2019

"Alles, was dir begegnen wird, ist leider nicht zu vermeiden."  #Søren_Kierkegaard 

Diese Sentenz twitterte heute Vormittag der Autor #Raimund_Schöll, mit dem ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" bereits zwei Interviews realisieren konnte. 

Mit dem dänischen Philosophen #Søren_Kierkegaard habe ich mich bislang noch nicht befasst und beziehe mich insofern bei meinen Überlegungen nicht auf dessen gedanklichen Hintergrund, sondern lasse das Zitat, das mir begegnet ist und dessen Lektüre nicht vermeidbar war, als ich mich dazu entschieden hatte, eine Zeit lang die sonntäglichen Tweets meiner Follower zu lesen, seitdem auf mich wirken. 

"Alles, was dir begegnen wird, ist leider nicht zu vermeiden." 

H`m? 

Zumindest dann nicht mehr, wenn man eine Entscheidung getroffen hat und in der Folge einen bestimmten Weg einschlägt, fiel mir spontan dazu ein. Entscheidungen sind zwar widerruf- oder veränderbar, doch was bleibt, ist das dann Unvermeidbare auf dem Weg, das wir nicht kennen und das dazu noch zufallsabhängig ist. 

Dieses Unvermeidbare ist der Preis, den jeder, der einen bestimmten Weg geht, zu zahlen hat. Es ist das Risiko mit dem wir leben müssen, dem wir uns nicht entziehen können.

Alles, was uns begegnet, hat einen ganz konkreten Einfluss auf unser Denken, Fühlen und auf unsere Entwicklung, lässt uns im Idealfall bewusster, doch keineswegs immer glücklicher werden. 

Wie geht man mit Unvermeidbarem um? 

Man stellt sich ihm sinnvollerweise, beobachtet es, sofern man genügend Zeit hat und fragt sich, ob man zulassen will, das es etwas mit uns macht oder wir etwas mit ihm tun möchten. Sobald wir entschieden haben, geschieht etwas mit uns. 

Bei Gedanken, die uns begegnen, wie im Falle des Kierkegaard-Zitates, können wir beispielsweise darüber nachsinnen und uns unter Umständen mit dem Zitateschreiber und seinem Werk näher befassen, was möglicherweise zu einem neuen Interessensgebiet führen kann. 

Begegnen uns Menschen auf einem Weg, zu dem wir uns entschieden haben, können es hilfsbereite Menschen sein, die uns den Weg erleichtern, zurückhaltende, die uns weder nützen noch schaden aber es ist auch möglich, dass wenig wohlwollende Personen uns Steine in den Weg legen oder gar mit Steinen nach uns werfen, weil wir ihnen im Weg stehen oder weil sie aus reiner Boshaftigkeit abgründig handeln.  In letzterem Fall neigt man dazu, seine Entscheidung zu bereuen, möchte sie rückgängig machen, weil sie Leid für uns bedeutet. Rückschritte allerdings machen uns selten erkenntnisreicher, sondern führen zu noch mehr Leid.  

Fragen sollte man sich deshalb, weshalb uns all die höchst unterschiedlichen Menschen auf den Wegen, zu denen wir uns im Laufe unseres Lebens entschieden haben, begegnet sind. In erster Linie wohl deshalb, weil sie sich zu den gleichen Wegen wie wir entschieden haben, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven und insofern irgendetwas mit uns gemeinsam haben müssen. 

Vielleicht ist es ein Lernprozess, der uns alle zur Erkenntnis bringen soll, dass paradiesische Zustände hier auf Erden es wohl nicht geben kann, solange nicht alle sich einer gemeinsamen Ethik verpflichtet sehen. 

Helga König 
Interviews mit #Raimund_Schöll: