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Samstag, 24. November 2018

Helga König: Sonntagskolumne, 25.11.2018

Aufmerksam wurde ich erstmals auf sogenannte #Stolpersteine an dem Ort, wo ich geboren wurde. Erst sehr spät erfuhr ich wie viele Juden dort einst gelebt hatten. Die Einheimischen reagierten ungehalten, wenn man nachfragte und meine Eltern waren in der NS-Zeit dort noch nicht ansässig, konnten mir aus Erfahrung also nichts mitteilen.

Zwischenzeitlich ist mir bekannt, dass es an meinem Geburtsort eine Synagoge gab, die im 18. Jahrhundert bereits errichtet wurde und die erste urkundliche Erwähnung jüdischer Mitbürger auf das Jahr 1686 zurückgeht. Die meisten der jüdischen Bewohner waren Kaufleute. Was mit ihnen geschah, kann man den 17 Stolpersteinen entnehmen, die seither verlegt worden sind.

Wenig später entdeckte ich auch hier in Kelsterbach, der Stadt in der ich seit Jahrzehnten bereits lebe, ebenfalls #Stolpersteine und vor geraumer Zeit  habe ich mich mit dem Twitter-Account des Künstlers Gunter Demnig  mit dem Accountnamen "Stolpersteine" verlinkt, der auf die Homepage des Künstlers verweist.

Die #Stolpersteine sind im Boden verlegte kleine Gedenktafeln, mittels denen an das Schicksal der Menschen erinnert werden soll, die in  der NS-Zeit verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Die quadratischen Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten sind mit von Hand eingeschlagenen Lettern beschriftet. Sie werden von einem angegossenen Betonwürfel mit einer Kantenlänge von 96 × 96 und einer Höhe von 100 Millimetern getragen. Dabei werden sie meist vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster bzw. den Belag des jeweiligen Gehwegs eingelassen.*

Im Oktober 2018  hat der Begründer dieser Projekts, der Künstler #Gunter_Demnig in Frankfurt am Main den 70.000sten Stein verlegt.

Der Homepage Demnigs ist zu entnehmen, dass zwischenzeitlich in 1265 Kommunen Deutschlands und in einundzwanzig Ländern Europas #Stolpersteine verlegt worden sind.

Der 1947 in Berlin geborene Künstler absolvierte nach seinem Abitur erfolgreich ein breitangelegtes Kunststudium. 1993 entstand der Entwurf zum Projekt #Stolpersteine, die er nun seit 18 Jahren in Deutschland und anderen europäischen Ländern verlegt.

Zwischenzeitlich hat Gunter Demnig eine Fülle von Auszeichnungen für die #Stolpersteine erhalten und seit diesem Monat gibt es eine Initiative im Netz, die ihn für den #Friedensnobelpreis vorschlägt.

Die Begründung lautet: "Seit 1992 ist er unermüdlich dabei, den Opfern des Nationalsozialismus wieder einen Namen zu geben. Jeder dieser Stolpersteine ist eine kleine Gedenktafel aus Messing, die Bodeneben in den Gehweg eingelassen werden. Sie werden vor den Häusern verlegt, in denen zu letzt aus eigenen Willen gelebt haben. Die Stolpersteine lassen uns über die nationalsozialistischen Verbrechen ‚stolpern‘ und halten so die Erinnerung an die Opfer wach und erinnert uns mit jedem seiner bisher 70.000 Stolpersteinen in 24 europäischen Ländern, wie allgegenwärtig die Verfolgung zu dieser Zeit war. Er sorgt dafür, dass wir nie vergessen, wer die Opfer waren und trägt dazu bei, dass es keine Wiederholung gibt. Für diese unermüdlichen Recherchen und diesen Einsatz verdient er diese Auszeichnung." (Malte Lohmann)**

Demnigs Intention besteht u.a. darin, den NS-Opfern, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden, ihre Namen zurückzugeben. Das Bücken, um die Texte auf den Stolpersteinen zu lesen, soll eine symbolische Verbeugung vor den Opfern verkörpern. Darüber hinaus schafft Demnig Bewusstsein für Frieden und Mitmenschlichkeit, indem er in jedem Einzelnen, der sich  mit den Steinen befasst, etwas bewegt und zu erkennen hilft, dass man sich nicht wegducken darf, wenn fremdenfeindliche Parolen irgendwo geäußert werden, denn sie können der Beginn von weit Schlimmerem sein. Pogromnächte kann es immer wieder geben.

In einer Zeit, in der die Fremdenfeindlichkeit und damit einhergehend der Rechtsradikalsmus immer mehr zunehmen, ist es äußerst wichtig, erkennbare Zeichen zu setzen und täglich an die ermordeten und verfolgten Juden und Sinti und Roma im Nazi-Deutschland zu erinnern. 

Die Posts von Gunter Demnig auf Twitter oder Facebook zu verlinken, helfen auf die Menschen aufmerksam zu machen, die von den Nazis einst verfolgt wurden und rütteln wach, wenn erneut gegen Andersgläubige und Andersdenkende zu Felde gezogen wird. Erst werden flammende Reden gehalten, dann lodern die Scheiterhaufen oder das Hassobjekt  wird anderweitig grausam zu Tode gebracht. Die Geschichte der Deutschen spricht eine klare Sprache und die heißt gnadenlose Grausamkeit.

Die #Stolpersteine vom Gunter Demnig sind ein zutiefst ethisches Projekt, sind ein Mahnmal, sind gelebte Mitmenschlichkeit und  machen begreifbar, was Wertschätzung über den Tod hinaus bedeutet.

 Helga König*

*wikipedia- Stolpersteine

Donnerstag, 22. November 2018

Kolumne: Helga König, 22.11.2018

Der hervorragende Film "Vor der Morgenröte" ist auf Arte noch bis zum 27.11.2018 verfügbar. Er befasst sich mit einer bestimmten Lebensphase des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig, dessen Bücher ich vor Jahrzehnten erstmals gelesen habe und noch immer sehr schätze. 

Zweig war einer der erfolgreichsten, deutschsprachigen Autoren während der 1920-1930er Jahre. Er war Sohn eines jüdischen Textilunternehmers, studierte Philosophie, Romanistik und Germanistik und schrieb in Philosophie seine Doktorarbeit. All das geschah lange vor der Zeit, die im Film thematisiert wird.

Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits unendlich viele Werke verfasst, die die Jahrhunderte überdauern und dann immer noch erkenntnisfördernd sein werden. Zu diesem Zeitpunkt auch war nicht nur seiner großen Leserschaft bereits bekannt, dass er sich als Europäer und Pazifist begriff und einen hohen moralischen aber auch ethischen Anspruch in seine Bücher einfließen ließ, weil er sich um den Erhalt der alten humanistischen Werte bemühte. 

Im Film lässt der Drehbuchautor Jan Schomburg ihn sagen: "Intellektuell sein, heißt gerecht sein." Ein wichtiger Satz, von hohem Wahrheitsgehalt! 

Stefan Zweigs Bücher standen 1933 auf der Liste der Bücherverbrennungen und 1935 wurde er im Nazi-Deutschland auf die Liste verbotener Autoren aufgenommen. Damals hatte er Deutschland bereits verlassen, denn er lebte von 1934 bis 1942 im Exil. 

Die Nazis waren nicht gerecht, folglich auch nicht intellektuell. Ihr Denken war archaisch plump und von Selbstsucht zerfressen. Viele Intellektuelle waren damals auf der Flucht vor der grausamen,braunen Brut und konnten trotz Verfolgung nur deshalb weiterleben, weil sie in anderen Ländern Asyl fanden. Auch Stefan Zweig konnte dies, wie "Vor der Morgenröte" dokumentiert, doch ihn quälte sein Privileg, das er als berühmter Schriftsteller hatte. Ihm nämlich hatte er es zu verdanken, dass er in Rio de Janeiro, Buenos Aires, New York, Petrópolis, das waren vier Stationen im Exil des Schriftstellers und großen Intellektuellen, gastfreundlich aufgenommen wurde und in Sicherheit leben konnte. 

Ich möchte den Film nicht nacherzählen und auch keine Rezension dazu verfassen. Was mich fasziniert hat und weshalb ich heute diese kleine Kolumne schreibe, war, dass erkennbar wird, wie sehr ein ethisch denkender Mensch darunter leiden kann, dass er aufgrund privilegierter Bedingungen gewissermaßen "auserwählt" ist, dem Leid und den Qualen, die andere erleben müssen, nicht ausgesetzt zu sein,  wie er diese Bürde nicht erträgt, weil er ein sensibler Intellektueller ist, dadurch depressiv wird, so depressiv, dass er sich schließlich das Leben nimmt.  

Menschen, denen Asyl gewährt wird, haben auch im Hier und Heute, bevor sie gerettet wurden,  immer furchtbare Erfahrungen gemacht, die sie seelisch schwer belasten, oft ihr Leben lang. Haben sie Verwandte oder Freunde, die weiterhin Terror oder Krieg ausgesetzt sind, werden sie keine Sekunde ihre Rettung genießen können, sondern sie werden vor allem leiden, auch wenn sie nicht intellektuell sind. Es genügt, ein Herz zu haben. Hat man das begriffen, versucht man all diesen Menschen, viel Ruhe zu verschaffen, sie zu trösten und schürt nicht neuerliche Ängste, weil man wie hier in Deutschland am rechten Rand auf Stimmenfang gehen will, indem man das Asylrecht,- sich geradezu teuflisch die Hände reibend-, zur Disposition stellen möchte. 

Helga König

Sonntag, 11. November 2018

Sonntagskolumne Helga König, 11.11.2018

Durch einen Artikel in der FAZ wurde ich in der letzten Woche auf eine Untersuchung aufmerksam, die sich mit dem dunklen Faktor der Persönlichkeit auseinandersetzt. Psychologen aus Ulm, Landau und Kopenhagen haben erforscht, dass Egoisten, Machiavellisten, Narzissten, Psychopathen und Sadisten mehr gemeinsam haben, als sie trennt. Die Universität Koblenz/ Landau schreibt, dass es Forschern gelang, zahlreiche dieser problematischen Persönlichkeitseigenschaften auf wenige grundlegende Prinzipien zurückzuführen: den "dark factor" (D-Faktor) der Persönlichkeit. Die Studie wurde in der international renommierten Fachzeitschrift Psychological Review veröffentlicht.

Kernbestandteil dieses dunklen Faktors der Persönlichkeit sei ein übertriebener Egoismus, der negative Auswirkungen auf andere oder die Gesellschaft im Allgemeinen hat. Dieser werde begleitet von Überzeugungen, die Schuldgefühle, Gewissensbisse und moralische Skrupel verhinderten, erläuterte Professor Morten Moshagen, Leiter des Abteilung psychologische Forschungsmethoden an der Universität Ulm. Er hat gemeinsam mit Professor Benjamin Hilbig von der Universität Koblenz-Landau und Professor Ingo Zettler von der Universität Kopenhagen diese Untersuchung durchgeführt. Befragt wurden mehr als 2500 Personen.

Wie die Uni Koblenz-Landau weiter schreibt, haben die Professoren bei ihren Analysen neun Persönlichkeitseigenschaften untersucht. Genannt werden: Egoismus, Gehässigkeit, Machiavellismus, moralische Enthemmung, Narzissmus, Psychopathie, Sadismus, Selbstbezogenheit und übertriebene Ansprüchlichkeit.

Die Forscher ermittelten, dass sich gewissermaßen alle diese Eigenschaften auf den D-Faktor als dunklen Persönlichkeitskern zurückführen lassen. Dies bedeute, dass beispielsweise Menschen mit einer hohen Narzissmus-Tendenz mit großer Wahrscheinlichkeit auch ausgeprägte machiavellistische und psychopatische Persönlichkeitszüge zeigen. "Außerdem ist bei Menschen mit einem starken D-Faktor statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit hoch, kriminell oder gewalttätig zu werden oder anderwärtig gegen soziale Regeln zu verstoßen", so die Forscher.

Dass überbordender Egoismus die Ursache allen Übels ist, ist mittlerweile nicht wenigen bekannt, die sich näher mit dem Neoliberalismus sowie Rechtsradikalismus und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft befasst haben. Noch immer aber wird nicht erkannt, dass überbordender Egoismus, geschürt durch die Medien und die Werbung, Wirtschaftsweisen wie den reinen Kapitalismus (Neoliberalismus) und gesellschaftliche Phänomene wie Rechtsradikalismus erst herausgebildet hat. 

Dass man von Narzissmus auf Gehässigkeit und sogar Sadismus schließen kann, wissen zwischenzeitlich zumindest all jene, die im Netz bereits mit Mobbern, Stalkern und Trollen zu tun hatten und deren Verhalten sehr genau analysiert haben, denn nirgendwo wird abgründiges Verhalten so  unverblümt sichtbar wie im Netz. 

Sobald ein hoch-aggressives, niederträchtiges, hinterhältiges, verlogenes Verhalten bei einem Menschen in unserem Umfeld erkennbar wird, muss man davon ausgehen, dass es uns früher oder später auch treffen kann, weil es Bestandteil dessen Charakters ist. 

Die Politik und Wirtschaft ist ein Sammelbecken egoistischer Zeitgenossen mit Ellenbogenmentalität. Vielleicht sollte man sich im Vorfeld die private Vita potentieller Anwärter für Führungspositionen genau anschauen, bevor man selbstverliebte Gockel in die nähere Wahl zieht, weil die negativen Auswirkungen des D-Faktors stets weit größer sind als das  fachliche Wissen und Können.

Merken muss man sich: Menschen mit überbordendem Egoismus kennen keine Rücksicht. Sie lügen und betrügen zu ihrem Vorteil ohne jegliches Schuldgefühl und erfinden immer Legitimationsgründe für ihr Verhalten. Gier ist die Haupteigenschaft solcher Personen. Dieser Gier wird alles untergeordnet. 

Meine Erfahrungen mit solchen Zeitgenossen haben mich gelehrt, hochsensibel zu regieren, wenn erste Anzeichen des D-Faktors hinter der Maske von Freundlichkeit sichtbar werden. Deshalb empfehle ich allen, die Untersuchungen der Professoren sehr Ernst zu nehmen.

Helga König

vgl dazu: Studie: Der dunkle Faktor

Sonntag, 4. November 2018

Sonntagskolumne Helga König, 4.11.2018

Nach der Gruppenvergewaltigung einer 18-Jährigen rät der Freiburger Polizeipräsident jungen Frauen: "Macht euch nicht wehrlos mit Alkohol oder Drogen.“ 

Das verkennt und verharmlost die Realität“, kommentiert Julian Dörr von der Süddeutschen Zeitung.

Im Januar 2016 hat sich die Aktions-Künstlerin Milo Moiré mit einem Plakat mit der Aufschrift "Respektiert uns! Wir sind kein Freiwild selbst, wenn wir nackt sind!!!" entblößt am Kölner Dom präsentiert und damit sehr anschaulich dokumentiert, worum es geht. Die körperliche Unversehrtheit einer Frau muss gewahrt bleiben, selbst wenn sie sich nackt in der Öffentlichkeit zeigt. Das gilt natürlich auch für Männer und  sollte überall auf dieser Welt bedingungslos akzeptiert werden, spätestens seit die Digitalisierung eine Annäherung kultureller, aufgeklärter Gepflogenheiten erforderlich macht. Der Merksatz lautet: Das Entblößen des Körpers ist keine Aufforderung zum Sex.

Wenn junge Frauen aufgrund von Alkohol oder Drogen sich möglicherweise nicht mehr gegen sexuelle Übergriffe wehren können, werden die Übergriffe durch besagten Alkohol- und Drogenkonsum keineswegs legitimiert. 

Jede Frau hat das Recht - unangetastet von sexualisierten Männern -   ein paar Gläser über den Durst zu trinken und sich dann enthemmter zu verhalten, beispielsweise enthemmter zu tanzen oder sich entsprechend zu artikulieren oder spontan ohne Begleitung, durch dunkle Straßen nachhause zu gehen und  selbst dann-  ohne ihre ausdrückliche Einwilligung- sexuell unbehelligt zu bleiben.

Frauen zu ermahnen, sich "keuscher" zu geben, vielleicht sogar sich keuscher zu kleiden, um nicht vergewaltigt zu werden, erinnert an  das Thema "Unkeuschheit"  im katholischen Gebetbuch von einst und unterstellt, dass Männer potentielle Triebtäter sind. 

Vergewaltigung ist nach Artikel 36 der Istanbul-Konvention das nicht einverständliche, sexuell bestimmte vaginale, anale oder orale Eindringen in den Körper einer anderen Person. Ein eventuelles Einverständnis muss freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person erteilt werden.[1] Vergewaltigungen bedeuten eine massive Verletzung der Selbstbestimmung des Opfers und haben oft gravierende psychische Folgen. Die juristische Bewertung ist je nach Land unterschiedlich. Eine Vergewaltigung verletzt das Menschenrecht auf sexuelle Selbstbestimmung, das vom deutschen Grundgesetz als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit unter Artikel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gefasst wird.[2]

Seit 1997 ist hierzulande auch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Es gibt nun generell keinen sexuellen Freifahrtschein für Männer in diesem Lande mehr, das muss  jedem Mann klar gemacht werden, der hier lebt, gleichgültig, welches Männerbild er im Kopf hat.  

In meinen Augen ist es unerheblich, aus welchen Ländern Vergewaltiger kommen, sondern  es stellt sich einzig die  Frage,  inwiefern führt archaisches Macho-Gehabe zur sexuellen Gewalt und wie kann man dieses Verhalten rechtzeitig abtrainieren, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

 Helga König

 1+2 Vergewaltigung