"Gegenwart kann nur naiv betrachtet werden, deren Inhalt wird gewürdigt, wenn sie zur Vergangenheit geworden ist" (Sigmund Freud).
Ist das wirklich so?
Vielleicht, wenn man noch ganz jung ist und wenig Erfahrungen sammeln konnte, dann ist die Gegenwart wirkliches Neuland, dann gibt es nichts anderes als den naiven Blick auf alles, was uns entgegengebracht wird.
Es fehlt noch an Möglichkeiten zu vergleichen und sich zu erinnern, dass man mit Schmerzen rechnen muss, wenn man die heiße Herdplatte anfasst.
Später ist das anders, dann zieht man, wenn man klug sein möchte, stets die Vergangenheit heran, würdigt diese gewissermaßen, indem man sie zur Entschlüsselung der Gegenwart nutzt, um diese nicht mehr blauäugig betrachten zu müssen.
Wer dem Vergangenen gegenüber ignorant ist, läuft in Gefahr im Hier und Heute stets aufs Neue verletzt und betrogen zu werden, sei es privat als auch geschäftlich, weil er zu offen und arglos auf Menschen zugeht, weil er wider besseren Wissens die Gegenwart naiv betrachtet.
Spontan zu handeln und sich unbefangen auf Dritte einzulassen, wird mit zunehmend negativen Erfahrungen normalerweise schwieriger.
Tiefes Misstrauen entsteht dort, wo ein Mensch mehrfach erleben musste, dass Vertrauen missbraucht wurde. Zumeist wird die misstrauische Gefühlslage zu einem generellen Handlungsmuster und bedingt, dass man manchmal wohlgesonnene Menschen durch skeptisches oder gar ablehnendes Verhalten kränkt, ohne es eigentlich zu wollen.
Die Erfahrungen der Vergangenheit vermögen uns dabei zu helfen, die Gegenwart erfolgreich zu gestalten, aber sie können auch ein Bremsklotz für alles Neue sein, weil man ihm keine Chance gibt und vor lauter Panik abermals Katastrophen zu erleben, das Zeitfenster, das sich gerade öffnet und das möglicherweise eine positive Zukunft verheißt, nicht nutzt. Das sollte man bedenken.
"Carpe diem" bedeutet nicht zu zaudern, sondern den Tag so zu nehmen, wie er sich zeigt. Ist er sonnig, dann sollte man nicht an den Regen von gestern denken. Sondern die Sonne jetzt würdigen, so wie sie heute scheint und nicht erst morgen, wenn die Wetterlage sich möglicherweise geändert hat.
Helga König
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