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Samstag, 6. Februar 2016

Helga König: Sonntagsgedanken, 7.2.2016

In der nun zu Ende gehenden Woche konnte man der Presse entnehmen, dass Professor Dr. Thomas Strothotte, der  Präsident der Kühne Logistics University, vorschlägt, deutsche Schüler dazu zu verpflichten, Arabisch zu lernen, weil tiefgreifende Wandlungsprozesse dies erforderlich machten.

Dabei denkt der Informatiker offenbar speziell an Wandlungsprozesse im Nahen Osten und ist der Ansicht, dass wir Deutschen mit dem Erlernen der arabischen Sprache uns und unsere Kinder als wirtschaftliche, kulturelle und politische Partner empfehlen, die diesen Transformationsprozess begleiten können, (vgl. dazu Focus)

Des Weiteren glaubt Strothotte, dass wir unserer Rolle als Einwanderungsland besser gerecht werden, wenn Arabisch Pflichtfach an deutschen Schulen werde. Der Stern schreibt, dass der Vorschlag polarisieren dürfte. 

Focus lässt seine Leser wissen, dass Bildungsexperten mittlerweile einhellig  Strothottes Vorschlag Arabisch als Pflichtfach bis zum Abitur einzuführen,  ablehnend gegenüber stehen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus bezeichnet besagte Empfehlung gar als karnevalistisch. Auch bei der Kultusministerkonferenz war die Haltung ablehnend, so Focus weiter. "Integration bedeutet in erster Linie, dass diejenigen, die in unser Land kommen, unsere Sprache lernen", habe der Sprecher Torsten Heil verlautbaren lassen und hält zudem fest "Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist Englisch die wichtigste Sprache, danach kommt Chinesisch“.  (Focus)

Wenn ein kluge Frau oder ein kluger Mann einen zukunftsweisenden Vorschlag machen, sollte man sich selbst dann näher damit befassen, wenn verbeamtete Experten zunächst Neuerungen ablehnend gegenüberstehen.  Das lehren uns viele Beispiele in der Geschichte.

Im März 2015 lebten hier im Lande 8,2 Millionen Ausländer, die illegal lebenden Einwanderer dürften nicht mitgezählt worden sein, vermute ich mal. Zwischenzeitlich hat die Flüchtlingskrise uns Hunderttausende weitere ausländische Menschen beschert, zumeist Personen, die arabisch sprechen. Die Anzahl ausländischer Kinder an Hauptschulen beträgt mittlerweile fast 20% mit steigender Tendenz wie die Flüchtlingszahlen erahnen lassen. 

In weiterführenden Tagesschulen sind die Prozentsätze bislang noch nicht ganz hoch, vermutlich deshalb, weil die Migrantenkinder, die noch nicht so lange hier im Land leben, noch nicht so gut Deutsch sprechen können, als dass sie höhere Schulen besuchen könnten. Die Sprachbarriere schützt höhere Gesellschaftsschichten aber keineswegs vor der Konkurrenz der Migranten um besser bezahlte Arbeitsplätze, wie die Zahlen an Abendschulen deutlich machen. (vgl.: Statista-Portal). 

Nicht alle Migranten kommen aus arabischen Ländern. Seit der Flüchtlingskrise allerdings sind es wohl primär arabisch sprechende Menschen, die zu uns kommen und von denen wir natürlich erwarten können, dass sie Deutsch lernen.  Ganz klar.

Arabisch als Pflichtfach wie Englisch an Schulen nun einführen zu wollen,  irritiert  zunächst und ist zudem auch eine Kostenfrage und wäre selbst als Wahlfach mit viel Geld verbunden. 

Wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft, in der es sinnstiftend ist, möglichst viele Sprachen zu sprechen, neben Englisch und Französisch, natürlich in erster Linie Spanisch, denn eine halbe Milliarde Menschen weltweit spricht diese Sprache. Chinesisch wird eine wichtige Handelssprache in der Zukunft werden, weil gewiss nicht alle chinesischen Handelspartner sich auf die Weltsprache Englisch einigen werden. Was ist nun mit Arabisch? 

Nur etwa 300 Millionen Menschen auf der Welt sprechen arabisch. In der Türkei beträgt der Anteil der arabisch sprechenden Menschen bloß eine halbe Million Menschen. Schaut man sich die Länder an, in denen Arabisch gesprochen wird, wird rasch klar, dass es zumeist  solche Länder sind, die mithilfe der Industrieländer erst zu wirtschaftlicher Blüte gelangen können. Hierzu die Daten

Die arabische Sprache wäre für alle, die dort Geschäfte machen wollen  oder als Entwicklungshelfer arbeiten möchten, gewiss kein Nachteil. Deshalb die Sprache zum Pflichtfach hier an Schulen zu machen, ist natürlich eine überzogene Forderung, sie aber zumindest als Wahlfach neben verschiedenen anderen Sprachen anzubieten, halte ich unter diesen Umständen für sinnvoll. Das dürfte Strothotte nicht anders sehen, auch wenn er erst einmal mehr gefordert hat.

Natürlich könnten Konflikte hierzulande minimiert werden, wenn wir uns alle mit der herkunftsbedingten Mentalität der Migranten näher befassen. Wir unterwerfen uns nicht den Migranten, wenn wir ihre Sprache sprechen, sondern vereinfachen die Integration.  

Dazu mein Tweet von heute Morgen : Geh auf Menschen zu, dann kommen Sie Dir entgegen.

Dies gelingt einfacher, wenn man deren Sprache spricht. Sollte in den kommenden Jahren der Zuwanderungsstrom arabisch sprechender Menschen hierzulande nicht abreißen, wird man sich sehr bald mit Professor Dr. Thomas Strothottes Vorschlag befassen müssen, weil es der einzige Weg ist, Eskalationen, die dann unumgänglich sind, zu minimieren. 

Peter Sloterdijk sagte am 18.1. 2016 "Der Mensch ist auf eine Welt der aufgehobenen Distanzen noch nicht vorbereitet“. Das sehe ich ganz ähnlich. 

Die Vorbereitung dazu, kann nur darin bestehen, sich mit vielen Sprachen zu befassen, vor allen jenen, die in Ländern gesprochen werden, die für Konflikte sorgen. 

Wir müssen die Menschen, die teilweise noch in vordigitalen Zeiten leben, kommunikativ "abholen", um auf diese Weise den Weltfrieden zu sichern. Wir vergeben uns dadurch nichts, wir gewinnen hinzu und sichern uns friedlich ab.

Der im letzten Jahr verstorbene Philosoph Manfred Hinrich prägte den Satz:  "Denkende lassen die Sprache für sich arbeiten." Dieser Satz ist richtungsweisend. Wenn unser Denken auf eine gut funktionierende Gesellschaft und eine eben solche Weltgemeinschaft ausgerichtet ist, dann sollten wir daran zu arbeiten beginnen und zwar durch Mehrsprachigkeit und diese nicht als leidige Pflicht, sondern Kür begreifen. 


Helga König

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