Wo endet die Freiheit der Kunst? Was soll Satire bezwecken? 
Liest man die Schmähkritik Jan Böhmermanns, fragt man sich,  was den Satiriker umgetrieben hat,  einen solch,  in meinen Augen beleidigenden Text zu verfassen und ihn  in einem öffentlich-rechtlichen  Fernsehsender  vorzutragen.  
Kann man mit dieser Schmähschrift Bewusstsein geschaffen werden? Wohl kaum. 
Der Text ist abgründig sexistisch verfasst und dient  nicht der politischen Aufklärung, die Sinn der politischen Satire sein sollte. Im Idealfall sollte  Satire  Erkenntnis  ermöglichen. Dass sie latent aggressive Momente enthalten kann, steht außer Frage, doch  sie sollte  es vermeiden, einen Menschen in seiner Würde zu verletzen, selbst dann, wenn es sich beim Adressaten beispielsweise um einen niederträchtigen Psychopathen handelt. 
Wir alle wissen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und auch nicht durch  die Freiheit der Kunst  ausgehebelt werden kann.   Die Akzeptanz der Würde des Menschen steht über allem. Sie allein ist der Maßstab. 
Weshalb  Böhmermann in seiner Schmähkritik den Adressaten mit Sodomie und Kinderpornographie in Verbindung bringt, weiß er nur selbst allein. Was will  der Satiriker uns damit sagen?  Hat er Anhaltspunkte für seine Äußerungen oder  wollte er  ausschließlich mittels sophistischer Methodik sexistisch verunglimpfen? 
Wir leben schon lange in einer Rüpel-Republik. Wer Shitstorms  im Internet beobachtet hat oder selbst erleben musste, weiß  wie fies Menschen zu  holzen in der Lage sind, die sich hinter einem Nik-Namen verstecken. Auch  hinter dem Schutzschild  der Freiheit der Kunst kann geholzt werden. Hier muss man an die Verantwortung der Künstler appellieren. 
Sachliche Kritik,  extrem überhöht in Satire und Karikatur,  ist selbstredend absolut wünschenswert, doch persönliche, üble Nachrede ist vor allem niveaulos und verfehlt das Ziel der Aufklärung.  Im Falle der Schmähkritik  Boehmermanns werden die Menschenrechtsverletzungen seines Adressaten dadurch  relativiert, dass sie in der Satire nicht im Fokus stehen, sondern  stattdessen auf unterstellte sexistische Obsessionen abgehoben wird.  Auf diese Weise geht der Schuss nach hinten los. Das war nicht  sehr klug. 
Die Schmähschrift satirisch  in ein "NOGO"  zu verpacken, um auf diese Weise  damit keulen zu können, war kein besonders schlauer Kunstgriff, wie man jetzt  sieht. 
Eine Schmähschrift wie  jene Böhmermanns  wird  gewiss  beim primitiven rechten Rand der Gesellschaft beklatscht werden, weil mit latent fremdenfeindlichen  Klischees nicht gespart wurde. Zudem  werden all jene begeistert sein, deren niedere Instinke durch  die sexistischen Äußerungen befriedigt wurden. Das  verspricht natürlich Quote.  Doch zu welchem Preis?
Deutschland  kann auf  viele fantastische  Satiriker  zurückblicken, die als   Vorbilder  für  die Kunst der Satire   aufgezählt werden können. Zu  diesen  hochintelligenten, humorig- spitzzüngigen Menschen  zählen Heinrich Heine, Kurt Tucholsky,  Erich Kästner, Heinrich Mann, Maler wie Otto Dix, auch Loriot,  Ephraim Kishon, Hanns-Dieter Hüsch und die Journalisten von Pardon und der Titanic. 
Wer Quote im Fernsehen machen will, weiß dass Feinsinnigkeit  kein geeignetes Mittel ist, um die Massen an sich zu binden und bevorzugt deftige Kost. Die Freiheit der Kunst allerdings  ist kein unendlich  auszudehnendes Strechband, sofern die Kunst weiterhin als menschliches Kulturprodukt betrachtet  werden soll.  
Wie Albert Schweitzer uns  wissen lässt, erstrebt Kultur die geistige und sittliche Vollendung des Einzelnen.  Genau darum geht es.  Diesem Anspruch muss Kunst genügen und damit  auch  die Satire. 
Durch sexistische Verunglimpfung bewirkt man keine  geistige und sittliche  Vollendung  des Einzelnen, sondern spielt  jenen in die Karten, die man    beispielsweise  aus politischen Gründen an den satirischen Pranger stellen möchte.  
Was ist ein intrigantes Spiel? Wem sollte durch die Schmähschrift in erster Linie geschadet werden? Das ist die Frage,  über  die es lohnt, intensiv nachzudenken.
Helga König
Vielen Dank! Sie haben mir aus der Seele gesprochen!
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