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Samstag, 30. April 2016

Helga König: Sonntagsgedanken, 1. Mai 2016

Thema meiner Wochenendkolumne sind  diesmal die sozialen Netzwerke und hier speziell #Twitter und #Facebook. 

Laut dem letzten Quartalsbericht gibt es bei Facebook rund 1,5 Milliarden "monthly active user" weltweit und davon etwa 26 Millionen Nutzer in Deutschland. 

Twitter zählt 320 Millionen Nutzer monatlich weltweit. Nach einer Online-Studie von ARD/ZDF sind es circa 4 Millionen User aus Deutschland. 

User beider Netzwerke wissen um deren Verschiedenheit und wissen auch, wo deren Stärken und Schwächen liegen. Auf Twitter informieren Firmen aller Art über das, was sie tun, Fernsehsender und die Printmedien zeigen täglich, dass es sie noch gibt, Politiker verkünden ihre ideologischen Positionen und Hilfsorganisationen machen auf das Elend der Welt aufmerksam. Ein Heer von Beratern erweckt den Eindruck, dass leitende Angestellte in Firmen oder beim Staat keine Lösungen mehr haben, somit eigentlich ausgetauscht gehörten und Hausfrauen zeigen mittels ihrer geposteten Bilder, dass sie immer noch kochen und backen können, dass die Welt insofern noch fast in Ordnung und nicht untergegangen ist. 

Mehr oder minder gut verpackte Werbung leuchtet im Wechsel mit Sentenzen von Seneca und Kant auf, bevor der Leser ein Liebesgedicht von Rilke lesen darf, um sich anschließend an einem schönen Foto, das beispielsweise eine italienischen Landschaft zeigt, zu erfreuen und sich spontan dorthin zu sehnen, wo die Zitronen blühen. 

Autoren stellen ihre Bücher vor und Blogger verlinken ihre Texte, zwischendrin wird man immer wieder daran erinnert, dass wir im Jahrhundert der Katzen leben und diese schon lange nicht mehr dafür da sind, in alten Bauerngehöften die Mäusezahl zu minimieren, sondern stattdessen zum Lieblingsschoßstier in vielen Haushalten geworden sind. Weshalb dies so ist, wollen wir  nicht näher beleuchten, sondern uns stattdessen über das  vorüberziehende Maiglöckchenfoto freuen, das  daran erinnert, dass jetzt der Wonnemonat beginnt. Wer zu viel nachdenkt, verliert seine Heiterkeit.

Twitterer wissen am  frühen Morgen  bereits, welche berühmte Persönlichkeit Geburtstag hat und hören am späten Abend Musik  aus dem Netzwerk "youtube", die  uns  als Tweet eines Followers entgegengebracht wurde. 

Selten werden  auf Twitter glückliche Kinder gezeigt. Das sollte zu denken geben. 

Die Tweets auf Twitter umfassen 140 Zeichen, zwingen den Verfasser sich kurz zu fassen und seine Gedanken zu ordnen. Wer gute, eigene Sentenzen schreiben möchte, muss sich disziplinieren und bemerkt vielleicht, dass Twitter sein Denk- und Formulierungsverhalten mit der Zeit verändert, es merklich stringenter macht.  

Twittern erfordert, dass man mit wenigen Worten auf den Punkt kommt und ist ungeeignet für alle, die gerne um den heißen Brei reden und mit Vorliebe als Schwätzer glänzen. 

Oscar Wilde wäre der ideale Twitterer gewesen, vermute ich.   Lassen wir ihn zu Wort kommen:

"Wie sonderbar es ist, dass einem das Wirkliche im Leben stets wie ein Traum erscheint."  Oscar Wilde 

Wer rasch von vielen gelesen werden will, weil er Werbebotschaften zügig kreisen lassen möchte, kann in den Netzwerken auch werben oder gegen Geld seinen Account in Umlauf bringen, was dazu führt, dass man binnen kurzer Zeit 100 000 Followers hat und sich dann mit dieser Zahl werbewirksam "aufbrezeln" kann, wie das einige Firmen gerne tun, um auf diese Weise Schwarmverhalten zu erzeugen. 

Nicht jeder Leser der Tweets ist auch Follower wie Twitter –Analytics beispielsweise verdeutlicht, doch sind es die Followers, die die Botschaften weiterverbreiten und insofern das Netzwerk bilden. Wer seinen Followers arrogant begegnet, lernt eine wichtige Lebensregel. Kennen Sie diese schon?

Twitter produziert in unendlicher Geschwindigkeit Zeitgeist und ist näher am Puls der Zeit als irgendein anderes Medium.  Doch ist dieses Medium weder besser noch schlechter als Facebook, nur wesentlich schneller und insofern der Liebling  von Intellektuellen mit Freude an gedanklichem Speed.

Facebook lässt längere Dialoge zu und zeigt seine Stärke in den Interessensgruppen, die sich dort gebildet haben, sei es in Sachen Kunst, Wein, Literatur, Ethik oder z. B. in Politik.  Die Möglichkeiten dieser Gruppen sind noch nicht ausgereizt. Diese Gruppen werden zukünftig im Fokus aller stehen, die Informationen  breit streuen möchten.

Auch auf Facebook gilt Werbung als völlig normal und wird zumeist nur von Mobbern attackiert, die ihr eigenes Produkt in Position bringen wollen oder aber von Menschen, die eine falsche Vorstellung von sozialen Netzwerken haben. Nochmals:  Die sozialen Netzwerke sind  Marktplätze und keine Wohnstuben.

Auf Facebook zeigen die User häufiger Fotos von sich oder sie teilen bestimmte Vorlieben, so etwa für Blumenbilder aus der Provence oder auch für Tierbilder. All das schafft die Nähe, die  wir Menschen brauchen, um uns wohl zu fühlen und miteinander zu plaudern, Nachrichten zu lesen, Bilder zu betrachten oder Musik zu hören.  Auf Facebook spielt Zeit nur eine geringe Rolle.

Seit Kurzem hat die Bilderflut  aus der Provence aufgehört. Trendig sind derzeit Psychotests, die aufgrund der Datenspur, die man im Laufe der Zeit hinterlassen hat, ermitteln, was uns am meisten motiviert, welches Zitat unsere Persönlichkeit am besten erfasst oder auch wie spirituell man ist, etc. 

Wer mag,  kann die vielen Testergebnisse on stellen und sie seinen Freunden zeigen,   kann es  aber auch lassen oder selektiv vorgehen. Gleichgültig wie sich ein jeder entscheidet, rasch ist klar, dass wir durch unsere geposteten Daten einen Daumendruck hinterlassen haben, der unverkennbar ist. Muss uns das schockieren? Nein.  Wir wissen ja, was wir tun, oder?

Gleichgültig ob Twitter oder Facebook, wir befinden uns auf Marktplätzen, wo verkauft und gekauft, geplaudert, gelacht und sich gezeigt wird. Es werden Nachrichten ausgetauscht, es wird  auch getratscht und wer sich all zu flegelhaft verhält, wird des Platzes verwiesen.  Das lässt uns entspannt die Zeit dort genießen und uns weghören, wenn mal wieder darüber gesprochen wird, wie gläsern wir geworden sind.

Kommunikation ist alles und insofern der Dreh- und Angelpunkt der sozialen Netzwerke. Der Traumberuf  im Hier und Heute kann demnach nur der des Kommunikators sein.

Johanna flüsterte uns heute Morgen zu "Ich werde gerade von meiner ‪#‎Azubine‬ mit ‪#‎Frühstück‬ verwöhnt: lecker‪#‎Spiegelei‬ mit ‪#‎Cherrytomaten‬, roten ‪#‎Zwiebeln‬, ‪#‎Kurkuma‬, ‪#‎Salz‬ und‪#‎Pfeffer‬ - yummi!". Wir freuen uns, weil sie uns teilnehmen lässt an ihrem sinnlichen Vergnügen und bedauern, dass auf den virtuellen Marktplätzen Aromen und Düfte noch nicht wahrgenommen werden können. 

Doch lange wird auch das nicht mehr dauern, sodass zwischen den Welten bald nicht mehr unterschieden werden kann. Dann wird es eine neue Realität mit unbegrenzten Möglichkeiten geben. Eine Realität, die einem  paradiesischen Traum gleicht.

Dann wird es Zeit Oscar Wilde erneut ins Spiel zu bringen mit seinem Tweet: "Wie sonderbar es ist, dass einem das Wirkliche im Leben stets wie ein Traum erscheint." 

Helga König

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