Impressum

Das Impressum finden Sie auf der Hauptseite von "Buch, Kultur und Lifestyle- Das Magazin für den anspruchsvollen Leser" wwww.rezensionen.co

Donnerstag, 26. Februar 2015

Helga König: Gedanken zum 60. Geburtstag von Michel Houellebecq, 26.2.2015

Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq hat heute Geburtstag. Ob er nun 1955 oder 1958 geboren ist, finde ich unerheblich, wichtig ist eigentlich nur, dass dieser blitzgescheite Intellektuelle in den 1990er Jahren zu schreiben begonnen hat und die Franzosen ihn alsbald als ihren neuen Voltaire feierten, während in Deutschland sich kein neuer Kant zu erkennen gab, den man hätte ähnlich feiern können. Vermutlich eine Frage des Fortune, vielleicht aber auch der besseren Ausbildungschancen..., wer weiß das schon?

Das erste Buch von Houellebecq, das ich las, war der Roman "Elementarteilchen". Ich erinnere mich noch gut an den Besuch im ZDF in Mainz, von wo aus das "Literarische Quartett" gesendet wurde. Marcel Reich-Ranicki stellte damals "Elementarteilchen" vor. Sein Sohn hatte ihm das Buch empfohlen und Marcel Reich-Ranicki war sehr begeistert. Da ich das Buch bereits gelesen hatte, wusste ich, weshalb es ihm so gut gefiel. Reich-Ranicki schätzte hochintelligente Autoren, die seine Fantasie anregten. Houellebecq war und ist prädestiniert für den Job eines brillanten Fantasiebeflüglers. 

Soweit mich meine Erinnerung nicht trügt, diskutierten  damals zudem der Literaturkritiker Peter Hamm sowie die Literatur-Kritikerinnen Sigrid Löffler und Verena Auffermann. Löffler war pikiert, weil sie offenbar das tiefere Anliegen Houellebecqs nicht verstehen wollte oder konnte. 

Houellebecq war und ist  seiner Zeit voraus. Seine Visionen sind das Ergebnis eiskalter Analysen. Sie stehen in keinem Widerspruch zu seinem poetischen Seite, sondern  machen ihn erst vollständig als Bruder im Geiste Voltaires.

Später lieh ich "Elementarteilchen" an  einen promovierten Chemiker aus, der ähnlich wie Sigrid Löffler schmallippig auf den Inhalt reagierte und las den allgemeinen Tenor in der Presse zu Houellebecq, der in Frankreich nicht grundlos gefeiert wurde. 

Die Deutschen haben ein Problem mit ihren Schatten und Houellebeqc traktiert diese Schatten mit Vorliebe. Das kann nicht gut gehen. Als dann sein Roman "Plattform" auf dem deutschen Markt erschien, erlebte ich Houellebeqc in Frankfurt bei einer Lesung. Genau so hatte ich ihn mir vorgestellt. Ein irrer Kettenraucher, der vor Charme sprühte und die Damen in der ersten Reihe mit diesem etwas skurillen Charme unverkrampft beglückte, wenn er nicht gerade las. Amüsant.

Damals kaufte ich mir nach der Veranstaltung  das Buch "Kampfzone" und die "Gedichte", die seine poetische Seite dokumentieren. Auch die Bücher, die dann folgten, las ich mit großem Interesse und werde mich demnächst zu seinem jüngsten Roman "Unterwerfung" äußern, den ich zur Hälfte bereits gelesen habe.  Bücher  guter Autoren verdienen es,  in Ruhe  studiert zu werden. 

Houellebecq, der diplomierte Landwirtschaftsingenieur, der, bevor er Bücher verfasste,  ähnlich wie Hermann Hesse übrigens Gedichte und Rezensionen schrieb, äußert in "Elementarteilchen" so bemerkenswerte Sätze wie: 

"Das ist einer der wesentlichen Nachteile, die übergroße Schönheit einem Mädchen bringt: Nur die erfahrenen, zynischen, skrupellosen Verführer fühlen sich der Herausforderung gewachsen; und daher fällt im allgemeinen dem denkbar Unwürdigsten der Schatz ihrer Unschuld zu, und das ist für sie die erste Stufe eines unaufhaltsamen Niedergangs.“

Dieser Satz ist unendlich provokativ, aber auch sehr analytisch. Er deckt sich ähnlich mit meinen Beobachtungen wie sein Gedanken: 

"Aus dem Individualismus erwachsen Freiheit und Selbstgefühl sowie das Bedürfnis, sich von allen anderen zu unterscheiden und sich ihnen überlegen zu fühlen.“ 

Houellebecq, der einstige Eliteschüler und hellwache Kopf getraut sich immer wieder, unliebsame Wahrheiten zu verbalisieren. Die Franzosen umarmen ihn dafür, während die Deutschen ihn klammheimlich abstrafen, indem sie Bilder von ihm veröffentlichen, die den Verdacht nahe legen, er sei heute 160 Jahre alt geworden oder vielleicht sogar schon mumifiziert. 

"Realitätssinn, Lustprinzip, Konkurrenzfähigkeit, permanente Herausforderung, Sex und soziale Stellung all dies ist nicht gerade geeignet, um in laute Hallelujas auszubrechen."

Stimmt, Monsieur Houellebecq, deshalb lassen Sie uns besser über Poesie sprechen oder über gute französische Weine:-))

Helga König

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen