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Sonntag, 30. September 2018

Sonntagskolumne Helga König, 30.9.2018

Die ZEIT schrieb am 25. September 2018 "Den von der Kirche zur Verfügung gestellten Kirchenakten zufolge wurden zwischen 1946 und 2014 1.670 Geistliche des Missbrauchs beschuldigt. Betroffen waren mutmaßlich 3.677 Kinder und Jugendliche. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher liegen."*

Der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing vermutet, dass die Ursachen in den Strukturen der katholischen Kirche begründet sind. Genannt werden: "der Missbrauch klerikaler Macht, aber auch der Zölibat und der Umgang mit Sexualität, insbesondere mit Homosexualität". ** 

Am 23.2. 2016 konnte man in der "WELT" lesen: "Hunderttausende Kinder in Deutschland sind Opfer von sexuellem Missbrauch. Das geht aus einer in Berlin vorgestellten Studie unter Leitung des Ulmer Jugendpsychiaters Jörg Fegert im Auftrag des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hervor.“*** "Rörig zufolge findet Missbrauch überall statt: in Familien, in Institutionen, abgebildet in digitalen Medien, in Flüchtlingsunterkünften oder durch organisierte Kriminalität. Die Formen reichten von sexualisierter Sprache bis zu Vergewaltigungen auch von Babys und Kleinstkindern."**** 

Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen findet also allerorten statt. Die von Harald Dreßing angeführten Ursachen sind demnach als ausschlaggebend anzuzweifeln. Weder der Zölibat, noch der Umgang mit Sexualität, speziell der Homosexualität seitens der katholischen Kirche scheinen die tatsächlichen Gründe für dieses unsägliche Phänomen zu sein, denn selbst ein entspannter Umgang mit Sexualität und mit Homosexuellen in unserer seit langem nicht mehr durch die katholische Kirche dominierten Gesellschaft führt nicht dazu, dass die Zahlen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen rückläufig sind. Das Gegenteil ist der Fall. 

Fakt ist: Es gibt einen gewissen Anteil von hetero- und homosexuellen Männern- bei Frauen kommt Pädophilie nur vereinzelt vor- in der Gesellschaft, die pädophil sind, d. h. deren sexuelles Interesse sich primär auf Kinder vor dem Erreichen der Pubertät bezieht. 

Die polizeiliche Kriminalstatistik gibt Aufschluss über die Zahl der Anzeigen im Bereich von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen: 

Für das Jahr 2017 verzeichnet sie 
• 11.547 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch
• 990 Fälle von Missbrauch an Jugendlichen 
• 403 Fälle von Missbrauch an minderjährigen Schutzbefohlenen 
• 6.512 Fälle von Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung sogenannter Kinderpornografie und
• 1.306 Fälle von Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung sogenannter Jugendpornografie.*****

Die schlechte Nachricht: Offenbar ist die Neigung zur Pädophilie nicht therapierbar.******  

Aber interessant auch dies: Nur etwa 40 Prozent der sexuellen Übergriffe auf Kinder sind tatsächlich durch eine pädophile Neigung motiviert. Die Mehrzahl ereignet sich durch andere Gründe, "etwa aus sexueller Hemmungslosigkeit, einer sadistischen Neigung oder als Folge ganz genereller Gewaltimpulse.“ ******* Dies allerdings lässt aufhorchen. 

Gibt es psychologische Tests, durch die ermittelt werden kann, ob bestimmte Menschen, die in Berufen tätig werden wollen, die ihnen den Zugang zu Kindern und Jugendlichen erleichtern, anfällig sind für sexuellen Missbrauch? Falls ja, sollte man diese Menschen im Vorfeld schon ausgrenzen und was geschieht, wenn sie ausgegrenzt sind? Werden sie dann zur allgemeinen sexuellen Bedrohung von Kindern und Jugendlichen? 

Sollte man diese  psychisch kranken Personen- selbst wenn sie noch nicht straffällig geworden sind- in ihrer Freiheit- gewissermaßen zum Schutz aller-, auch zum Schutz ihrer selbst, beschränken, unsere Gesetze ändern und uns auf den Weg zur alles kontrollierenden Diktatur begeben? Das kann es ja wohl nicht sein, oder? Doch, was tun? 

Es ist einfach mit dem Finger auf ungeliebte Institutionen zu zeigen, die sich angeblich zu wenig kümmern. Doch sieht man das Problem in seiner gesellschaftlichen Gesamtheit, stellt man sehr rasch fest, dass es sich nicht so einfach lösen lässt. 

Solange der Infantilisierung der Gesellschaft Vorschub geleistet wird, wird die Verantwortung und Wertschätzung des Einzelnen gegenüber allen anderen Menschen nicht steigen. Die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen wird sich demnach eher noch verschlechtern, nicht nur, was sexuelle Übergriffigkeit anbelangt. Mit der Kirche hat dies allerdings nichts zu tun, denn gelebte christliche Ethik sieht Straftaten, wie sie jetzt zu Recht angeprangert werden als  akzeptables Handlungsmuster nicht vor. Sexualstraftäter, die sich in diese Institution hineinbegeben haben, um ein Kirchenamt zu begleiten, haben neben den sexuellen Straftaten zudem Verrat an der christlichen Ethik begangen. Das sollte nicht unerwähnt bleiben.

Was soll die katholische Kirche tun, nachdem Jesus den Gläubigen an die Hand gegeben hat: "Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet." (Matthäus 7,1)?



*+ ** "Zeit"
******+*******  Zur Pädophilie, ZEIT

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