Impressum

Das Impressum finden Sie auf der Hauptseite von "Buch, Kultur und Lifestyle- Das Magazin für den anspruchsvollen Leser" wwww.rezensionen.co

Samstag, 20. August 2016

Helga König: Sonntagsgedanken, 21.8.2016

In den sozialen Netzwerken bin ich mit einigen Nonnen und einem Mönch, auch mit katholischen und evangelischen Theologinnen und Theologen befreundet. Deren Posts schätze ich deshalb, weil sie für Mitmenschlichkeit werben und auf die Unfairness in dieser Welt immer wieder aufmerksam machen. Der Liedermacher #Konstantin_Wecker tut dies auf Facebook übrigens auch und steht in seinem Engagement für Humanität dort dem zuvor genannten Personenkreis in nichts nach.

Auch auf Twitter mehren sich die Tweets, die andeuten, dass eine neue Geisteshaltung der Ära der materiellen Gier in den nächsten Jahren ein Ende setzen wird. In der vergangenen Woche wurde sogar eine Landkarte, in der die Klöster in Deutschland eingezeichnet sind, getwittert und dies keineswegs von einem Geistlichen. Hocherfreut retweetete ich diese Karte, weil ich überzeugt bin, dass die Abkehr von der materiellen Gier nur möglich ist, wenn wir alle wieder einen spirituellen Zugang zu unserer Seele erhalten und eine Möglichkeit hierzu Exerzitien darstellen, die in den meisten Klöstern angeboten werden.

Eine seelenlose Welt ergötzt sich am rein Materiellen. Das wissen wir mittlerweile, weil wir es täglich beobachten können. Lassen wir uns davon  nicht schrecken, sondern beginnen wir endlich zu handeln, ganz so wie es Konstantin Wecker empfiehlt.

Vor vielen Jahren lernte ich einen Menschen kennen, der Hunderte von Klöstern besucht hatte. Er ging stets nur mit einem kleinen Boardcase auf Reisen, um weltweit diese Orte der Zurückgezogenheit kennen zu lernen. An diesen sehr freundlichen und dabei ausgesucht höflichen Mann musste ich spontan denken als ich besagte Kloster-Karte auf Twitter sah.

Ich weiß nicht, ob dieser sehr bescheidene Mensch noch lebt, mittlerweile müsste er gut 80 Jahre alt sein. Vielleicht hat er sich irgendwann in ein Kloster für immer zurückgezogen, um dort seine letzten Jahre zu verbringen. Ich vermute, dass dies ein Traum von ihm war. 

Obschon hochgebildet, war der Klosterreisende eher wortkarg. Von seinen Augen ging viel Ruhe und Erkenntnis aus. Er war übrigens der Sohn eines Mannes, der einst dem Vorstand einer Weltfirma angehörte. Er selbst hatte die halbe Welt gesehen und lange in Südamerika in einer leitenden Position gearbeitet, bevor er seine Familie verließ, weil er homosexuell war und es vorzog, ganz unspektakulär, fernab von deren Luxus, sein ureigenstes Leben zu leben und  dabei die Welt in ihrer Vielfalt zu bestaunen. 

Was suchte dieser Mann in all den Klöstern? War es die Ruhe und Abgeschiedenheit oder suchte er Trost, weil er die Gier in seiner Familie nicht länger ertragen konnte. Meditierte er an den Orten der inneren Einkehr? Er sprach nicht darüber. 

Die Medien berichteten später von einem seiner Verwandten, der ein typischer Stellvertreter der Welt war, die der Klosterreisende ablehnte, weil er stattdessen lieber Texte von Thomas von Aquin las und über Sätze wie: "Die geistige Schönheit der Seele ist darin gelegen, dass der Wandel und das Tun des Menschen gemäß und wohl angepasst sei der geistigen Klarheit der Vernunft" nachdachte. 

Jahre nach dieser Begegnung besuchte ich die Abtei Fontevraud in der Region Pay de Loire. Dort hatte sich einst im hohen Alter Eleonore von Aquitanien, die Königin der Troubadoure, zurückgezogen, um sich in der Stille von abgelebten Zeiten des Glanzes und der Macht zu erholen und zu verabschieden. Dieses Kloster kennenzulernen, ist ebenso beeindruckend wie beispielsweise die Klosterruine Disibodenberg zu besichtigen, die zwischen Nahe und Glan gelegen ist. Dort verbrachte die Heilige Hildegard von Bingen die ersten 39 Jahre ihres Klosterlebens. Doch lange vor ihrer Zeit war der mystische Ort eine heilige Stätte für die Kelten. 

Wer meditiert, erhält Zugang zu seinem Inneren, zu seiner Seele und dem Licht von dem ein französischer Moralist einst sagte, es sei der Diamant der Seele. 

Franz von Assisi wusste, dass ein kleines Lied schon viel Dunkel erhellen kann. Der in Umbrien geborene Kaufmannssohn aus sehr reichem Hause, lebte in seiner Jugend ausschweifend, bevor er sich von der Welt der materiellen Gier verabschiedete, einen Orden gründete, nach den Regeln der Armut lebte und Buße predigte. Wir wissen, dass Franz von Assisi ohne Scheu sogar Leprakranke umarmte, ganz ähnlich wie die Humanistin Stella Deetjen, mit der ich vor kurzem ein Interview auf "Buch, Kultur und Lifestyle" realisieren konnte, das begreifbar macht, worin  die eigentliche Aufgabe  von uns Menschen besteht: Uns einander zu helfen.

Wenn wir nachdenken, erkennen wir, dass all die Menschen, die die Liebe leben, über einen klösterlichen Innenraum der Stille verfügen, in dem sie Kraft schöpfen, um Licht in die Welt zu bringen, das jene Zeitgenossen, die der materiellen Gier verfallen sind, immerfort zu ersticken trachten, weil nur die Finsternis mit ihren Abgründen sie in Erregung versetzt. 

Hören wir auf Marc Aurel, der einst sagte:

"Es gibt für den Menschen keine geräuschlosere und ungestörtere Zufluchtstätte als seine eigene Seele. Halte recht oft solche stille Einkehr und erneuere so dich selbst."

Wer dies in seinem Umfeld nicht kann, sollte Klöster oder die Natur aufsuchen, um die Ruhe zu finden, die nötig ist, Marc Aurels Empfehlung in die Tat umzusetzen und so des Lebens Sinn zu erkennen, der ganz gewiss nicht in materieller Gier zu finden ist.

 Helga König

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen