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Sonntag, 13. Mai 2018

Helga König: Sonntagskolumne, 13.5.2018

Zusagen und Versprechen werden heute sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft und privat immer häufiger nicht eingehalten bzw. gebrochen und zwar keineswegs im beiderseitigen Einvernehmen. 

Warum ist das so? Woran mangelt es? 

Ich vermute seit einiger Zeit, dass es vor allem an den dazu notwendigen Tugenden fehlt. Wer Zusagen nicht einhält und Versprechen bricht, weil sich die Umstände geändert haben und das Einhalten von Vereinbarungen mit persönlichen Nachteilen verbunden wäre, benötigt einen bestimmten Mangel an Tugenden, um Wortbruch überhaupt begehen zu können. 

Meines Erachtens gehören ein Mangel an Verantwortung und ein Mangel an Gewissen dazu, vielleicht zudem ein Mangel an Selbstachtung, an Nächstenliebe, natürlich an Fairness, an Ausdauer, an Ernsthaftigkeit und schlussendlich ein Mangel an Willensstärke. 

Nur der, dem bewusst ist, dass er für seine Handlungen verantwortlich ist und sich letztlich selbst stets Rechenschaft  ablegen muss, wird sehr genau überlegen, wann er etwas zusagt oder verspricht und wohl durchdachte Vereinbarungen nicht, wann es ihm gerade beliebt, brechen. 

Ein verantwortungsbewusster Mensch legt Wert darauf, wann auch immer, sich im Spiegel anschauen zu können und bei diesem Anblick nicht schreiend weglaufen zu müssen. Selbstachtung ist ein Wesensmerkmal verantwortungsbewusster Menschen aber auch Willensstärke.

Ein solcher Zeitgenosse löst nicht einseitig Verträge auf, betrügt und belügt auch nicht sein Gegenüber, um sich einen Vorteil zu erschleichen oder Unredliches durchzusetzen. Ein verantwortungsvoller Mensch verfügt über ein intaktes Gewissen, das ihn davor schützt, aus Eigennutz, Zusagen und Versprechen nicht einzuhalten. Dieses Gewissen nämlich würde ihn plagen und seine Lebensfreude mindern. So beißt er lieber in den sauren Apfel und steht auch, wenn die Bedingungen sich für ihn unerfreulich geändert haben, zu dem, was er zugesagt hat. 

Der verantwortungsvolle Mensch ist vor allem fair, weil er fair sein möchte und Illoyalität ebenso ablehnt wie unsolidarisches Verhalten. Er hat einen Anspruch an sich, dem er gerecht werden möchte, der darin besteht, sich selbst nicht mehr zu lieben als seine Nächsten. 

Wir leben in einer hochgradig narzisstischen Gesellschaft, in der die Selbstliebe an erster Stelle steht, in der Menschen wenig ausdauernd sind, wenn es nicht um eigene Vorteile geht und den raschen persönlichen Erfolg langen Durststrecken, die sich aus Versprechen ergeben können, vorzieht.

Dieser Tatsache ist es geschuldet, dass verantwortungsvolles Handeln dem Anderen gegenüber immer weniger ernst genommen wird. Gewissenskonflikte: Fehlanzeige. Alles ist Spaß, Ernst ist etwas für  moralinsaure Leute.

Deshalb kann man sich auf kaum mehr etwas verlassen, noch nicht einmal auf schriftlich gegebene Zusagen. Doch das bedeutet keineswegs, dass die Institution des Versprechens zwingend verschwinden muss, sondern wohl eher, dass Tugenden wieder mehr kultiviert werden sollten.

Warum nicht mit der Tugend der Besonnenheit beginnen,  die jeder Zusage und jedem Versprechen vorausgehen sollte?



Helga König

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