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Sonntag, 20. November 2016

Helga König: Sonntagskolumne 20.11.2016

Höflichkeit wird in Zeiten, in der die rüpelnde Ellenbogenmentalität Hochkonjunktur hat,  als Unterwürfigkeit abgemeiert. Typisch. ( H.K.)

Höflichkeit ist ein Verhalten, das leider von nicht wenigen als gestrig und überflüssig abgetan wird. Es gibt mittlerweile eine Autorin, die sogar so weit geht, dieses Verhalten als ein Indiz für Unterwürfigkeit zu betrachten. Wer sich auf dem Egotripp befindet, hat offenbar keine Zeit, seine Mitmenschen zu achten und schenkt ihnen weder ein gutes Wort, noch ein Dankeschön. 

Verbale Entgleisungen und Rüpeleien aller Art müssen wir täglich erleben oder gar ertragen. Die sich immer mehr verbreitende Unhöflichkeit im öffentlichen Raum gilt mittlerweile leider schon als fast normal.  Dass die sprachliche Enthemmung im Internet ihren Anfang genommen hat, wissen wir alle. Der Zeitgeist trägt Brutalität in jeder Beziehung zwischenzeitlich wie eine Monstranz vor sich her. Wer diesen Zeitgeist verändern möchte, muss sich alter Tugenden besinnen. Hierzu zählen: Takt, Achtung, Demut, Dankbarkeit und Redlichkeit. 

Unter Fakeaccounts werden tagtäglich übelste Beschimpfungen und Hasstiraden ausgestoßen und überall auf dieser Welt Menschen verleumdet. Stalker, Mobber und Trolle werden zwischenzeitlich als Teil der Gesellschaft betrachtet, der gewissermaßen unter Naturschutz steht und rumholzen kann je nach Belieben. Weshalb ist das so?  

Ein Redakteur einer sehr renommierten, deutschen Tageszeitung verteidigte vor einiger Zeit in einem Feuilleton- Artikel die "Kampfaccounts" im Internet, gemeint waren fiese Fakeaccounts, offenbar weil man mittels diesen problemlos gegen andere zu Felde ziehen kann. Willkommen im verbalen Urzustand!

Immer wieder attackieren Redakteure der Printmedien in Artikeln das höfliche Liken und Retweeten im Internet, während ihre Brötchengeber teure Anzeigen bei Twitter und Facebook schalten, um rascher an Followers zu kommen, die dann "liken" und "retweeten" sollen. Dass dieses Verhalten schizophrene Züge dokumentiert und sehr doppelzüngig ist, muss eigentlich nicht betont werden. 

Auf Facebook  beispielsweise  gibt es große Gruppen von 10 000 und mehr Künstlern, die dort ihre Werke vorstellen. Das Liken, das einerseits ein Dankeschön an die Akteure darstellt, weil diese etwas von sich präsentieren, ist für den Künstler ein Indiz dafür, dass sein Werk gefällt und die Preisgestaltung entsprechend gehandhabt werden kann. Keiner der Künstler ist  dadurch, dass er sich für die Likes bedankt, devot, sondern er  bekundet damit  seine Höflichkeit und Achtung.

Ganz ähnlich ist es bei Musikern und Schriftstellern. Das Prinzip, dem die sozialen Netzwerke folgen ist "do ut des". Das kann nicht oft genug  betont werden.

"Pink Floyd - Shine On You Crazy Diamond 1990 Live Video" wurde bislang 11.761.267  (Stand 20.11. 2016) auf Youtube aufgerufen, aber nur 49 122 Zuhörer haben sich bedankt, sprich gelikt. 1358 Zuhörer haben das Stück abgevotet ohne Gründe zu nennen. Der Rest hat geschwiegen und gratis konsumiert. 

Wenn wir einen Youtube-Clip oder Beiträge auf Facebook und Twitter verlinken, die uns gefallen, ist das ein Dankeschön dafür, dass wir etwas gratis bekommen haben, wofür andere oft viele Stunden, Monate sogar Jahre tätig waren. 

Wenn die Gelikten sich anschließend für die Anerkennung bedanken, zeigen sie, dass sie verstanden haben, was sie ihren Leser oder Zuhörern zu verdanken haben und dass Allüren, sie noch nicht hochmütig haben werden lassen.

Wenn Politiker sich bei Ihren Wählern in den sozialen Netzwerken  nach der Wahl bedanken, sind sie übrigens auch alles andere als devot.

Es ist schon pervers, dass in einer Zeit, in der es üblich geworden ist, alles kostenlos einzusacken und nach Möglichkeit dann noch laut zu nörgeln, nun der Gebende auch noch an den Pranger gestellt und ihm Unterwürfigkeit nachgesagt wird, wenn er sich bei seinen Fans für die Likes bedankt.

Ich möchte die heutige Sonntagskolumne nicht grundlos mit einer Sentenz des Philosophen Sir Francis Bacon  beenden, über die es lohnt nachzudenken.

"Wenn ein Mensch gütig und höflich ist, beweist er, daß er ein Weltbürger ist."


Helga König

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