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Sonntag, 16. Oktober 2016

Helga König: Sonntagskolumne. 16.10. 2016

"Nur wer die Kunst des Vergessens erlernt, hat Lebenskunst gelernt" (Oscar Wilde  (16.10.1854-30.11. 1900)

Diese Worte von Oscar Wilde lassen inne halten. Was setzt die Kunst des Vergessens voraus? Und weshalb handelt es sich dabei um Lebenskunst? Was ist Lebenskunst überhaupt? 

Die Kunst des Vergessens besteht bestimmt nicht darin, fürchterliche Eindrücke und Gefühle aus dem Gestern gut verdrängen zu können bzw. Unliebsames unter den Teppich zu kehren. Vergessen und Verdrängen sind zwei Paar Schuhe. Das wissen wir aus Psychologiebüchern. Dem klugen Aphoristiker Oscar Wilde wird dies natürlich auch klar gewesen sein.

Karin Horney, die die Psychoanalyse Freuds weiterentwickelt hat, schrieb schon Mitte des letzten Jahrhunderts, dass Konflikte, die einen Menschen überfordern, ins Unbewusste verdrängt werden, so dass eine Scheinlösung des Konflikts erfolge. Wir alle entwickeln offenbar gegen das Bewusstwerden verdrängter Konflikte starke Widerstände, um uns auf diese Weise die qualvolle oder peinliche Auseinandersetzung mit unseren ungelösten Problemen zu ersparen. 

Wer verdrängt,  kann die Kunst des Vergessens nicht erlernen, denn diese setzt die Verarbeitung verdrängter Konflikte voraus. 

Was ist also zu tun, um die inneren Widerstände herabzusetzen? Die Psychoanalyse wendet Techniken wie freies Assoziieren, Träumen und Wachphantasien an, damit ein Teil des Verdrängten erneut an die Oberfläche gelangt, um es auf diese Weise verarbeiten zu können. 

Nicht wenige der zu Neurosen führenden Konflikte liegen in der Kindheit begründet und führen oft dazu, dass Aggressionen von damals auf Mitmenschen von heute projiziert werden. Um entspannt mit anderen umgehen zu können, ist es notwendig,  verdrängte Konflikte zu verarbeiten. 

Die Kunst des Vergessens beruht darin, zunächst Schmerzhaftes anzuschauen, sich damit auseinander zu setzen, um es dann sacken zu lassen und sich zuversichtlich Neuem zuzuwenden. 

"Das Geheimnis der Veränderung ist, dass man sich mit all seiner Energie nicht darauf konzentriert, das Alte zu bekämpfen, sondern darauf, das Neue zu erbauen." soll Sokrates einst gesagt haben und bringt es damit auf den Punkt. 

Wir brauchen uns nicht jenen zur Verfügung zu stellen, die alte Konflikte verdrängt haben und sie nun an uns auszuleben versuchen. Hier gilt es Grenzen zu ziehen und entschieden ein deutliches Nein zu sagen. Was für uns gilt, gilt allerdings auch für andere. Zur Lebenskunst gehört auch, ein feines Gespür dafür zu entwickeln, ob wir überhaupt gemeint sind, wenn uns jemand anranzt.

Lebenskünstler sind Menschen, die immer wieder bereit sind, neu zu beginnen, neue Projekte mit Zuversicht anpacken und sich vom konfliktreichen Gestern nicht runterziehen lassen. Lebenskünstler sind Menschen, die Durststrecken entspannt überwinden, weil sie wissen, dass nichts ewig andauert, wenn man sich nicht hängen lässt.

Dabei ist es wichtig, Personen mit negativer Energie nicht in unser Leben lassen, denn sie schaden uns, indem sie aufgrund ihrer Konfliktbelastung,  uns nur Steine in den Weg legen. Oscar Wilde wurden nicht nur von der Gesellschaft, sondern hauptsächlich von Bosie Steine in den Weg gelegt. Dieser Mensch war ein grenzenloser Egoist, der dem genialen Dichter nur schadete. Dazu empfehle ich den Film: Oscar Wilde und natürlich  den Prosatext: De profundis

Wenn wir uns hin und wieder an das erinnern, was wir verarbeitet haben, werden wir feststellen, dass es uns nicht mehr anhaben kann und können uns freuen, weil die verarbeiteten Konflikte unsere Persönlichkeit bereichert haben. Jetzt brauchen wir uns nicht mehr an anderen abzuarbeiten, sondern können uns stattdessen mit dem, was uns Freude bereitet, beschäftigen. Genau darin  nämlich besteht die eigentliche Lebenskunst. 

"Nur wer die Kunst des Vergessens erlernt, hat Lebenskunst gelernt". Genau so sehe ich das auch, lieber Oscar Wilde.

Helga König

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