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Sonntag, 7. April 2019

Helga König: Sonntagskolumne 2- 7.4.2019

#André_Niedostadek fragt in seinem heutigen Nostalgie-Tweet, womit man das weiter unten abgebildete Zehnpfennigstück assoziert.

Spontan fiel mir beim Anblick dieser Münze der kleine Tante- Emma-Laden wieder ein, der auf meinem Schulweg lag, als ich die dritte und vierte Klasse besuchte. Das Geschäft wurde von einer pensionierten Handarbeitslehrerin und ihrer Schwester betrieben. Diese beiden älteren Damen waren überaus herzlich und wurden deshalb von allen Kindern geliebt. 

Schulhefte, bunte Heftschoner aus Plastik, Blei- sowie Buntstifte, Füller mit türkisfarbenen Tinten-Patronen aber auch Wolle, Perlgarn, Strick- sowie Nähnadeln konnte man dort kaufen und es waren Kinder- sowie Jugendbücher, zudem winzige Stoffrosen als Geschenk zum Muttertag  hier zu haben. All das hatte natürlich mehr als 10 Pfennig gekostet. 

 Foto: André Niedostadek
Doch dann gab es da noch die dicken Gläser mit silbernem Schraubverschluss auf dem Tresen, gefüllt mit steinharten Himbeerbonbons oder mit bunten Gummibärchen oder mit Lakritzschnecken oder mit zahnunfreundlichen Karamellen oder  auch mit Brausewürfeln. 

Zwanzig Gummibärchen kosteten zehn Pfennig, zwei Brausewürfel ebenso viel. Die Brausewürfel prickelten auf der Zunge. Deshalb entschied ich mich zumeist für sie. Sie belustigten mich also und so kicherte ich mich am frühen Morgen in den Unterricht.

Es gab noch einen weiteren Tante-Emma-Laden, der öffnete aber erst um acht Uhr. Dort konnte man Eis am Stiel kaufen. Ein kleines Eis kostete damals zwanzig Pfennig. Am Eingang dieses Ladens war ein Kaugummiautomat angebracht, der kleine Mädchen sehr interessierte, weil man mit etwas Glück neben einer Kaugummikugel auch noch einen Ring erwerben konnte, den man seiner besten Freundin schenkte als Zeichen dafür, dass man sie sehr liebte. Der Einsatz dieses Glückspiels betrug zehn Pfennig.

Ein Schokokuss kostete ebenfalls zehn Pfennig. Den gab es in beiden Läden. Damals hieß er noch "Mohrenkopf". Der Hersteller von der Bergstraße veräußerte diese Schaumteile fünfzig oder hundert stückweise in einem braunen Karton, der mit einem Gesicht eines farbigen Kindes mit schwarzen Löckchen und dicken Lippen illustriert war, an die Händler, die die Schokoküsse, dann einzeln an kleine Mädchen und Jungs weiterverkauften. Der Begriff "Mohr" war bei Kindern damals so positiv besetzt, dass sich viele kleine Mädchen einen Sarotti-Mohren als Dekoration für ihr Kinderzimmer wünschten. Eine solche schwarze Puppe mit rot-blauem Turban gab es auf dem Jahrmarkt am Süßwarenstand zu sehen. Dort konnte man übrigens auch Süßigkeiten für  zehn Pfennig erwerben. So etwa  türkischen Honig in einer Muschel oder auch Schaumwaffeln. 

Über die Gefahren von Zucker dachte damals  noch kaum einer nach, denn Süßigkeiten gab es selten und nur in kleinen Mengen. Zehn Pfennig in Süßigkeiten zu investieren, war für Kinder gewissermaßen noch ein Ereignis, das man nicht so schnell vergaß. 

Später konnte man mit zwei Zehnpfennigstücken im Telefonhäuschen stundenlange Ortsgespräche führen, wenn man ungestört mit seinen Freundinnen sprechen wollte, so als würden sie am anderen Ende der Welt leben.  Zu berichten gab es immer viel. Zumeist über Verliebtheiten.

..und dann kam der Ärger mit der Parkuhr. Zwei Zehnpfennigstücke reichten selten. Doch das war schon eine andere Zeit.

Helga König.

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