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Sonntag, 3. März 2019

Sonntagskolumne: Helga König, 3.3.2019

Auf #Twitter und #Facebook posten Tag für Tag zahllose User Zitate berühmter Persönlichkeiten. Die Zitate stammen teilweise aus Büchern, die die User gerade lesen oder gelesen haben oder aus Zitate-Sammlungen. Nicht immer kann - selbst bei Zitate-Sammlungen, die als Buch verlegt worden sind - , im Anhang ermittelt werden, wann und in welchem Zusammenhang ein Satz von einer bestimmten Person erstmals gesagt oder geschrieben worden ist, auch bei virtuellen Zitate-Sammlungen ist das nicht immer mühelos nachvollziehbar. Doch muss es dies eigentlich sein, wenn man nicht gerade die Absicht hat, eine wissenschaftliche Arbeit anzufertigen? 

Sofern durch ein Zitat dem vermeintlichen Verfasser nicht geschadet wird, man ihm nicht bewusst Böses in den Mund legt, sondern man sofort erkennen kann, dass der Inhalt des Zitats seiner Geisteshaltung entspricht, halte ich die nicht wissenschaftliche Vorgehensweise für nicht besonders tragisch. 

Viele kennen das Zitat "Man muss einen harten Geist und ein weiches Herz haben!", das sowohl #Sophie_Scholl als auch #Che_Guevara in Zitate-Sammlungen zugeordnet wird, weil beide den Satz irgendwann öffentlich geäußert haben und damit ihre geistige Haltung dokumentierten. Offenbar haben sich beide mit dem französischen Philosophen #Jacques_Maritain befasst, denn von ihm stammt diese Sentenz ursprünglich wie man zwischenzeitlich allerorten lesen kann. Es geht den beiden erkennbar nicht darum, sich mit fremden Federn zu schmücken, sondern  darum, durch diesen Satz eine persönliche Einstellung zum Ausdruck zu bringen, nach der sie auch erkennbar gehandelt haben. 

Es gab Zeiten, da mussten Schüler im Lateinunterricht noch lateinische  Zitate auswendig  lernen. Mit diesen Sentenzen gingen dann sich abgrenzen wollende, dünkelhafte, alte Akademiker gerne hausieren, ohne zu wissen, welcher Philosoph die Sätze einst gesagt hatte, ohne zu ahnen, dass dessen Lebensphilosophie möglicherweise der eigenen vollkommen entgegengesetzt war. In solchen Fällen ging es nicht darum, die eigne geistige Haltung in die Nähe der Haltung des Urhebers zu bringen, sondern meiner Erfahrung nach nur um ein dümmliches Sich-aufblasen mit dem Fakt, vor Jahrzehnten Latein  als Unterrichtsfach gehabt zu haben.

Wenn eine Sentenz dem sogenannten "Volksmund" zugeordnet wird, - solche Aussagen sind oft schon Jahrhunderte alt und können demjenigen, der sie zuallererst geäußert hat, nicht mehr zugeordnet werden, weil die Quelle verloren gegangen ist- , dann müsste diese Sentenz m. E. im Grunde nicht mehr gekennzeichnet werden, weil sie definitiv Allgemeingut geworden ist. Das Wort "Volksmund" könnte man sich in den entsprechenden, platitüdenschwangeren Tweets  dann eigentlich ersparen. 

Wie schaut es nun aus, wenn man in den sozialen Netzwerken einen Satz postet, wie etwa "Mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun haben."? Sophie Scholl hat diese Aussage im Rahmen eines längeren  Satzes geäußert. Sie wird nicht die einzige gewesen sein, die diese klare Position als Satz  formulierte. Muss jeder, der diese Feststellung postet, auf Sophie Scholl verweisen oder genügt in diesem Fall das eindeutige Bekenntnis, das ja alles andere als ein individuelles Bonmot darstellt? 

Zitate sind knappe, häufig sehr knappe Aussagen, die, wenn sie getwittert werden, oft nur einen Teil der möglichen Tweetlänge ausmachen. So fand ich eben gerade in einer Zitatensammlung nachstehenden klugen Satz von dem deutschen Aphoristiker © Fred Ammon. "Jeder kann von jedem lernen, aber einer muss den Anfang machen". Dieser Satz hat, wie ich finde, Allgemeingültigkeit. Nach meiner Ansicht genügt es, diesen Satz unter Nennung des Namens des Aphoristikers  zu posten. Wer weiter forschen möchte, dem steht dies frei. 

Klartext: Es scheint mir ethisch vertretbar, dem in Zitate-Sammlungen genannten Verfasser nicht schadenden Zitate unter dessen Namensnennung als Tweet oder Beitrag auf Facebook entspannt zu posten. Ich halte es für nicht notwendig, für einen solchen Tweet weitere Quellenforschung zu betreiben. Man kann es mit der Urheberschaftsforschung einzelner Sätze auch übertreiben. 

Die Frage ist doch, was möchte man bezwecken? Goethe soll gesagt haben "Mit dem Wissen wächst der Zweifel". Postet man diesen Satz unter Namensnennung von Goethe, ohne nachzuforschen, ob er tatsächlich dieser Urheber ist, geht es dem Poster vermutlich weniger darum, dass speziell Goethe es gesagt hat, das nimmt er, weil es in der Zitatensammlung so steht, als gegeben hin, sondern in erster Linie darum aufzuzeigen, dass Wissen  nicht nur Freude ist.

"Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch." Hieronymus; Seneca, Epistulae morales VI,57,12; Cicero, Orationes Philippicae 12,2. Dieser Satz sollte  beherzigt werden. Wer Irrtümer suchen möchte, sollte es sich zur Aufgaben machen. Wenn die Irrtümer aufgedeckt sind, sollte derjenige, der sich irrte, nicht weiter auf seinem Irrtum beharren, sondern ohne zu maulen berichtigen und gut ist´s .

Helga König

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