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Samstag, 3. Februar 2018

Sonntagskolumne Helga König, 4.2. 2018

Spiegel-Online titelte am 1.2.2018 im Rahmen der Sexismusdebatte "Museum in Manchester hängt Gemälde ab"*. Was war geschehen? 

Die "Manchester Art Gallery" hat das Waterhouse-Gemälde "Hylas und die Nymphen" aus dem Jahre 1896 abgehängt und den Museumsbesuchern den leeren Platz für Diskussionsbeiträge zur Verfügung gestellt. 

Damit hat die Kuratorin Clare Gannaway m.E. das Gemälde zum Zwecke einer Debatte über Sexismus instrumentalisiert und die eigentlichen Bestimmung des Werkes, als Kunstgegenstand unantastbar zu sein und von Museumsbesuchern im Rahmen der Öffnungszeiten- wann auch immer- bestaunt zu werden, missachtet. 

Der Spiegel schreibt, dass das Abhängen des Werkes offenbar Teil einer eigenständigen Kunstperformance im Museum in der vergangenen Woche gewesen sei und dabei teilweise von den derzeitigen Debatten über Sexismus, wie  jenen unter dem Schlagwort #MeToo, inspiriert worden sei.

Ein Kunstwerk in einem öffentlichen Museum abzuhängen und es für einen bestimmten Zweck zu instrumentalisieren, wenn auch nur für ein paar Tage, ist m.E. bereits Zensur und schafft Argumentationsspielraum für Zensuraktivitäten im Hinblick auf  beliebige Kunstgegenstände in anderen Museen auf der ganzen Welt, wenn auch für einen zunächst befristeten Zeitraum. 

Heute sind es Debatten über Sexismus, morgen vielleicht Diskussionen über Religion, Tierschutz oder beispielsweise über bestimmte Ethnien, die dazu führen, dass Museen Bilder für eine gewisse Zeit im Keller verschwinden lassen, die dann, wenn der Zeitgeist es will, dort für lange Zeit verbleiben müssen. 

Der britische Maler John William Waterhouse (1849- 1917) war ein Präraffaelit. Auf seinem Gemälde "Hylas und die Nymphen" sieht man sieben wunderschöne, barbusige Nymphen im Seerosenteich. Sie bewundern den attraktiven jungen Hylas im blauen Gewand, der am Teichrand vor den Nymphen kniet, um ein wenig mit ihnen zu plaudern und den sie, so die Mythologie, daraufhin zu sich ins Wasser ziehen. 

Hylas war laut griechischer Mythologie der Geliebte von Herakles, demnach ein Homosexueller. Die Nymphen konnten also unbefangen, sogar mit entblößten Brüsten mit dem bildschönen Hylas plaudern und ihn dabei wie ein Kunstwerk bestaunen. Zu behaupten, sie hätten versucht, Hylas zu betören, ist nicht sehr freundlich. Homosexuelle sind für Frauen keine Sexualobjekte, sondern "bloße" Gesprächspartner, mit denen man vor allem entspannt reden kann, weil Sexualität kein Thema ist. Man kann mit  ihnen problemlos aufs Hotelzimmer gehen oder mit ihnen vergnügt ein erfrischendes Bad nehmen, so wie die Nymphen es einst taten. Alles bleibt im grünen Bereich. 

Ein vielleicht nicht uninteressanter Gedanke im Hinblick auf die #MeToo –Diskussion…

Zurück zur Zensur von Gemälden: 

Der Dominikanermönch und Bußprediger Girolamo Savanarola (1452-1498)  ließ im Februar 1497  fanatisierte Jugendliche und Kindern ("Fanciulli") durch Florenz ziehen, die "im Namen Christi" alles beschlagnahmten, was als Symbol für die Verkommenheit der Menschen interpretiert werden konnte. Dazu zählten u.a. pornographische Bilder, aber auch Gemälde namhafter Künstler. Der von den Predigten des Dominikanermönchs fanatisierte Maler Sandro Botticelli warf einige seiner Gemälde sogar selbst ins "Fegefeuer der Eitelkeiten".**

Durch den Bildersturm in der Reformationszeit im 16. Jahrhundert dann sind sehr viele Kunstgegenstände des Mittelalters unwiederbringlich verloren gegangen, weil auf Weisung reformatorischer Theologen und der Obrigkeiten, die die reformatorische Lehre angenommen hatten, Gemälde, Skulpturen, Kirchenfenster und andere Bildwerke mit Darstellungen Christi und der Heiligen sowie weiterer Kirchenschmuck − teilweise auch Kirchenorgeln − aus den Kirchen entfernt, teils verkauft oder beschlagnahmt, zerstört oder beschädigt wurden.*** 

Zu Anfang der 1930er Jahre gab es einen Erlass, der hieß "Wider die Negerkultur für deutsches Volkstum." Er richtete sich gegen "Moderne Kunst" und die liberale Kunstwelt. In dessen Folge begannen die Beschlagnahmungen und Gemäldeverbrennungen in der NS-Zeit. 

Der calvinistisch geprägte Neoliberalismus, von dem wir heute geplagt werden, hat zweierlei im Schlepptau: Prüderie und Rechtsradikalismus. 

Bleibt zu hoffen, dass die Me-Too-Debatten nicht für eine Wiedererweckung calvinistischer Lustfeindlichkeit instrumentalisiert werden. Dort nämlich, wo die Lustfeindlichkeit zuhause ist, folgt in der Regel die Kriegstreiberei Gewehr bei Fuß. Waffenhersteller und psychopathische Machtpolitiker reiben sich schon jetzt die Hände.

Vorsicht also mit Zensur von Kunst, gleichgültig zu welchen Zwecken. Kunst ist sich selbst genug und darf niemals ein Mittel werden.


Helga König
**  Savanarola

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