Lebe so
Als seien
Alle Tage
Alle Stunden
Geschenkte Zeit
Tage
Und Stunden
Die du
Zusätzlich
Zu deiner Lebenszeit
Bekommen hast
Jeder Tag
Jede Stunde
Ist
Einmalig
(Dr. Wunibald Müller)
Diesen gedanklichen Impuls von Dr. Wunibald Müller twitterte ich heute Morgen. Er ist eine der vielen klugen Sentenzen des Tischaufstellers "Lebe jetzt, lebe heute", den ich gestern rezensiert habe und der sich sehr gut für eine kleine Meditation eignet.
Was wäre, wenn wir zu Anfang unseres Lebens bereits wüssten, wie viele Jahre uns ganz konkret individuell zugemessen sind und was, wenn uns am Ende dann plötzlich noch einige Monate oder gar Jahre- ohne Begründung- hinzu gegeben werden würden?
Würden wir dann die Zeit damit verbringen über Verteilungsungerechtigkeit zu lamentieren, wenn wir sehen, dass andere vielleicht mehr Lebenszeit zu Verfügung gestellt bekommen haben oder dass Einigen sogar noch 20 oder 30 Jahre bei bester Gesundheit oben drauf gepackt wurden?
Hätten wir, wenn uns nur knappe Zeit zugebilligt worden wäre, etwa wie dem Dichter Georg Büchner, der nur 23 Jahre alt wurde oder der Sängerin Janis Joplin, die im Alter von nur 27 Jahren verstarb, versucht, unsere Begabungen rasch auszuloten, um sie völlig intensiv zu leben und auf diese Weise ganz aus unserer Mitte heraus, jeden Tag als Geschenk zu genießen oder hätten wir sie wie ein Oblomow verplempert?
Hätten wir plötzlich erkannt, dass Selbstdarstellung, auch pausenloses Vergleichen mit anderen uns nur kostbare Zeit für die Entdeckung und das Bestaunen der Welt raubt?
Hätten wir viel nachhaltiger gefragt, was uns Menschen wirklich Freude bereitet?
Vor einigen Jahren sah ich in Brügge eine alte Frau, die in ihre hochkomplizierten Klöppelarbeiten versunken war. Obgleich sie sich sehr konzentrieren musste, war ihr Gesichtsausdruck entspannt. Sie war eine Künstlerin auf ihrem Gebiet. Es bereitete Freude, ihre Arbeiten zu bewundern. Ohne Eitelkeit ließ sie dies auch lächelnd zu. Für Menschen wie sie spielt Zeit offenbar keine Rolle.
Der Zeit zu entkommen, ist nur möglich, indem man seine Begabungen lebt, gleichgültig in welchem Metier oder aber, indem man die Welt in ihrer Vielfalt neidlos bestaunt, vor allem auch, indem man sich positiv in Gemeinschaften einbringt. Stunden mit anderen werden dann als glücklich empfunden, wenn sie harmonisch verlaufen.
Je älter man wird und je mehr man fühlt, dass die Lebensuhr nicht ewig ticken kann, umso weniger ist man bereit, sich in unergiebige Auseinandersetzungen verwickeln zu lassen, umso mehr schotten sich Menschen, die sich ihrer Endlichkeit bewusst werden, von Streitsüchtigen ab, wenn es irgend möglich ist.
Jene, die sich ihrer Endlichkeit nicht bewusst werden, sogar der fixen Idee verfallen, sie könnten ewig leben, sind oft bis zum Ende ihrer Tage taktlos, unhöflich, mitunter sogar überaus beleidigend, weil sie nicht aus ihrer Mitte heraus leben.
Sobald wir jede Stunde als einmalig begreifen, vertun wir sie nicht durch sinnentleertes Handeln, sondern verstehen, dass es uns weit mehr gibt, einer Blume beim Wachsen zuzuschauen oder was auch immer zu gestalten, als sich auf Dinge einzulassen, die nichts als Spannung und Verdruss erzeugen.
Sobald wir alle Tage dazu beitragen, Freude in die Welt zu bringen, wird uns das größte Geschenk, das wir bekommen können, zuteil: Innere Zufriedenheit.
Es ist der Mangel an innerer Zufriedenheit, der die Menschen zu Sklaven unerfüllter und damit vergeudeter Zeit macht, in der Konsum alles und das, was uns Menschen tatsächlich ausmacht, nichts ist.
Helga König
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