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Samstag, 21. Oktober 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 22.10. 2017

"Der Mangel an geistigem Lebensgehalt bedingt den Mangel an Humanität." Joseph Roth 

Diesen Satz twitterte vor einigen Tagen der Autor #Raimund_Schöll. Die Sentenz stammt von dem österreichischen Schriftsteller #Joseph_Roth (1894-1939), der während des 1. Weltkrieges erste Gedichte und feuilletonistische Arbeiten veröffentlichte und anschließend für Zeitungen in Wien, Prag und Berlin tätig war. Nach 1933 emigrierte der Schriftsteller nach Frankreich und engagierte sich dort gegen den Nationalsozialismus.  Ob das Zitat aus einem seiner Bücher stammt oder ob es ein Satz aus einer seiner Kolumnen ist, ist mir nicht bekannt, doch gewiss scheint mir zu sein, dass er damit den Prototyp des Nazis im Fokus hatte und insofern auch dessen legendäre Unmenschlichkeit. 

Dass ein geistiger Lebensgehalt -hierzu gehört eine kritische Haltung zum eigenen Denken und Tun- dazu beiträgt, allein schon aus Vernunftgründen mitmenschlich zu handeln, davon bin ich überzeugt.  Allerdings meine ich, dass es in erster Linie die #Herzensbildung ist, die uns davon abhält, inhuman zu handeln, sogar selbst dann, wenn viele um uns herum sich abgründiger Grausamkeiten aus ideologischen Gründen verschrieben haben, so wie dies im Nazi-Deutschland einst der Fall war. 

Herzensbildung setzt voraus, dass man seinem Ego und dessen Habenwollen einen nicht allzu großen Raum zubilligt, sich immer und immer wieder im Verzicht zugunsten anderer übt, ohne dadurch in Wut zu geraten. Das ist vielleicht eine der schwersten Übungen, weil sie Selbstüberwindung voraussetzt und diese zugleich zum Ziel hat. 

Herzensbildung bedingt, dass man offen auf andere zugeht, seine Vorurteile hinterfragt, Menschen wohlwollend beobachtet, ihnen zuhört, mit ihnen spricht, um zu erkennen, dass sie- egal, wo auf Erden und in welchen Verhältnissen sie geboren worden sind-, genau wie wir fühlen, genau wie wir Zuspruch und Anerkennung als fühlender Mensch benötigen und in Not natürlich unsere Hilfe erhalten sollten. 

Herzensbildung wird gefördert durch die Kultivierung eines ehrlichen, freundlichen Wesens. Wer jeden Tag ein gutes Wort für einen ihm nicht bekannten Menschen, von dem er weder Vor- noch Nachteile zu erwarten hat, bereithält, ist dabei seine Herzensbildung zu vergrößern und spürt  zugleich wie er innerlich aufhellt. 

Ein Mensch ohne Herzensbildung empfindet weder Sorgen, Leid noch Schmerz anderer, da er den anderen nicht wahrnimmt. Das ist der Fluch des Egokosmos.

Dem Herzensungebildeten  sind seine Mitmenschen gleichgültig, sofern er keinen Vorteil von ihnen zu erwarten hat. Anstelle zu lächeln oder zu lachen, können solche Menschen nur dem Lächeln ähnelnde Grimassen ziehen (und zwar nur dann, wenn sie etwas haben wollen), ansonsten ist der Gesichtsausdruck stets abweisend und blasiert. 

Die Nazis im Hitlerdeutschland waren das Paradebeispiel für einen extremen Mangel an Herzensbildung. Anstelle eines weichen Herzens lebten sie ihre geisteskranke Herrenmenschideologie aus, die ihnen die Legitimation verschaffte, andere niederzutrampeln, sie zu berauben, zu foltern oder zu töten. 

Herzenbildung schützt davor, inhuman zu werden, deshalb sollten Eltern und Erziehende alles dafür tun, damit das weiche Kinderherz nicht von Jahr zu Jahr mehr verhärtet. Wer seinem Kind Aufmerksamkeit und viel Zärtlichkeit schenkt, es vor allem nicht verrät, der muss sich um die humanistische Entwicklung seines Nachwuchses keine Sorgen machen. 

Der Mangel an Herzensbildung im Neoliberalismus hat Menschen besonders in Drittländern unsägliches Leid gebracht. Der Rassismus der Rechtsradikalen im Hier und Jetzt deutet auf ein  Wiederaufflammen der Nazi-Herrenmensch-Ideologie hin, die Ursache für 80 Millionen Tote  im 2. Weltkrieg war.  Das sollte nachdenklich stimmen.

Ein ungebildetes Herz ist anfällig für Größenwahn und Niedertracht. Das hat die Geschichte gezeigt.


Helga König

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