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Samstag, 22. April 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 23.4.2017

"Würde mir alles Wissen gegeben, unter der Bedingung, es verschlossen zu halten, so möchte ich es nicht." #Seneca Brief No.6 

Diese Sentenz habe ich gestern retweetet. 

Lucius Annaeus Seneca zählte zu den Geistesgrößen des 1. Jahrhunderts n. Chr. 124 Briefe an seinen Freund Lucilius gelten als das reifste Werk dieses römischen Philosophen. 

Da mich der Gedanke Senecas heute Morgen noch immer beschäftigt hat, las ich zunächst neugierig besagten 6. Brief an seinen Freund Lucilius, um in Erfahrung zu bringen, in welchem Zusammenhang Seneca den Gedanken zu Papier brachte. 

In der vollständigen Studienausgabe, die im Marixverlag erschienen ist, ist zwar in diesem Satz von Weisheit und nicht von Wissen die Rede, doch dies ist kein Grund nun zu beckmessern.

Angelesenes Wissen, Lebenserfahrungen und nicht wertendes Beobachten können, wenn wir uns bewusst damit auseinandersetzen, zur Weisheit führen. Diese anderen zur Verfügung zu stellen, ist seit Jahrtausenden Anliegen von Philosophen, Weisheitslehrern und lebensklugen Altruisten, weil Weisheit, die Lehre vom Frieden ist, dem Frieden mit sich und anderen. 

Wer Wissen für sich behalten möchte, strebt Macht an. Wissen beinhaltet nämlich Fakten, Theorien und Regeln, die sich durch den größtmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird.* Wissen, das Wettbewerbsvorteile verschafft, sei es in der Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft wird seit Jahrtausenden  gezielt unter der Decke gehalten, weil es dazu dient, Vormachtstellungen zu erreichen, auszubauen und zu erhalten. 

Das tiefgehende Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren** macht inhaltlich den Begriff Weisheit aus. Weisheit ist insofern eine Art übergeordnetes Wissen, das Menschen, solange sie nach Macht streben, nicht in Erfahrung bringen können. 

Weisheit beinhaltet weder die Merkmale Macht noch Gier. Sie hat alles zeitlich Begrenzte überwunden. Sie staunt, erkennt und liebt. 

Vermutlich deshalb möchte Seneca Weisheit nur dann besitzen, wenn er sie anderen weiter vermitteln kann. Dabei ist für diesen Philosophen Weisheit nichts, was ihn über andere erhebt. Er schreibt nicht grundlos an Lucilius:

"Doch wenn ich dich auffordere, zu mir zu kommen, so geschieht es nicht bloß darum, um dich zu fördern, sondern auch darum, um mich durch dich fördern zu lassen. Denn wir werden uns gegenseitig sehr erheblichen Nutzen schaffen“.

Bei allem müssen wir geduldig sein. Der Lyriker Christian Morgenstern sagt uns weshalb:

"Weisheit ist langsam". 

Vielleicht ist dies auch der wahre Grund, weshalb viele, die eilfertig nach Macht streben, der Weisheit selbst im Alter nicht begegnen. Sie haben nie gelernt, sich und ihr Leben zu entschleunigen. Auf der Überholspur ist die Weisheit nicht zuhause, soviel scheint gewiss zu sein. 


Helga König

* Wikipedia Wissen
**Wikipedia: Weisheit

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