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Sonntag, 21. Juli 2024

Sonntagskolumne Helga König, 21.Juli 24

"Solange man lebt, wird man vermutlich nach dem Augenblick beurteilt, wenn man aber tot ist, dann nach seinem ganzen Leben von der Geburt bis zum letzten Atemzug…" H.G. Wells, Befreite Welt, V,3

Dieses Zitat las ich kürzlich auf Twitter und fragte mich, ob ich da problemlos zustimmen kann. Gerade in jüngster Zeit hörte ich einige Trauerreden und beschäftigte mich mit der Frage, ob man den Verstorbenen durch die Texte gerecht geworden ist. Man war es meines Erachtens nicht.

Muss der Streifzug durch eine Biografie zwingend eine Beurteilung zur Folge haben? Wer interessiert sich schon für das gesamte Leben eines Menschen, gerade in unserer Zeit, wo der Schwerpunkt auf Selbstbezogenheit liegt? Sind oberflächlichen Streifzüge nicht selten Ursache für ein endgültiges negatives Werturteil? Wer sind wir, die wir solche Urteile überhaupt fällen können? Hellsichtige, die alles, - auch das gesamte geheime Leben eines Menschen-, zu durchleuchten vermögen? 

Wonach soll man einen Menschen beurteilen? Danach, ob er stets edel, hilfreich und gut gehandelt hat? Und was, wenn Brüche im Leben eines Menschen ihn verbittert haben, ein vormals großzügiger Mensch mit allem geizt, zum Zyniker wird, auf dessen Grabstein nur ein schmallippiges R.I.P. zu lesen ist? 

Ich kannte einen Menschen, der allgemein als sehr geizig galt, den ich selbst aber als überaus großzügig erlebte, speziell im Umgang mit der Natur. Ein hilfsbereiter Mensch, mit vielen positiven Eigenschaften, die sein soziales Handeln bestimmten. Warum wollte man das nicht sehen, was  sein tägliches Tun zu etwas ganz Besonderem machte? 

Interessant finde ich stets Begegnungen mit Menschen, die man zuvor noch nicht kannte und hier die Kommentare von deren Freunden und Bekannten, die diese Menschen schon länger kennen. Sympathisch finde ich dann die Kommentare, die auf Beurteilung verzichten, weil man nur so, sich vorurteilsfrei auf zuvor uns unbekannte Menschen einlassen kann. 

Ob man möchte oder nicht, wird einem stets etwas "gesteckt", was die eigene, positive Augenblickbeurteilung eines Anderen untergraben soll. Mich ärgert das stets.

Lebt man schon etwas länger auf dieser Welt, kann man diese Pappenheimer rasch als das einschätzen, was sie sind: Menschen, denen man nichts anvertrauen darf, wenn es nicht sofort die Runde machen soll. 

Wer sich an vermeintlichen Fehlern anderer weidet, wird – wir erleben dies ja alle in den sozialen Netzwerken-, sich auf diese stürzen, um sie auszuschlachten. Warum? In erster Linie, um dem eigenen Ego zu huldigen, das natürlich fehlerfrei ist. 

Es wäre gut, wenn wir aufhörten, endgültig bewerten zu wollen und mit Steinen besser Brücken bauten, Brücken von Mensch zu Mensch, im Wissen, dass es kaum einer wirklich leicht hat und Aburteilen kein Weg zu diesen Brücken sein kann. 

Helga König

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