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Samstag, 30. September 2017

Sonntagskolumne: Helga König, 1.10.2017

Gestern verlinkte ich einen Tweet des offiziellen Accounts von #Auschwitz_Memorial. In diesem Tweet wird an die Gräueltaten der Nazis vom 29/30. September 1941 erinnert. Unter der Verantwortung des Heeres der Deutschen Wehrmacht wurden in #Babyn_Yar in einer Schlucht auf dem Gebiet der ukrainischen Hauptstadt Kiew 33. 771 Juden  grausamst ermordet. Besagter Massenmord an der jüdischen Bevölkerung geschah, nachdem die 6. Armee und die Einsatzgruppe C der SS in Kiew einmarschiert waren. Bei der Durchführung des Holocaust in Russland spielte die Ordnungspolizei eine ebenso wichtige Rolle wie die Einsatztruppen und die SS, weiß man spätestens seit Daniel Goldhagens Buch "Hitlers willige Vollstrecker". 

Dabei nahm die Beteiligung der Polizeibataillone an den großangelegten Mordeinsätzen im Rahmen des Völkermordes am 22.6.1941 mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion seinen Anfang. Die Einsatztruppen ermordeten in den eroberten sowjetischen Gebieten weit mehr als 1 Million Juden. Die Polizeibataillone, die zum größten Teil aus Reservisten bestanden, trugen maßgeblich zu diesem Massaker bei. Das sei hier nochmals betont.* 

Wie grausam dieses Morden sich gestaltete, belegt Goldhagen an vielen Beispielen, so auch an einem Blutbad in der Stadt Bialstok, das hohe symbolische Bedeutung gewinnen sollte. Nachdem die Schergen der Nazis die Juden unsäglich gedemütigt hatten, trieben sie diese in eine riesige Synagoge, verteilten Benzin rund um die Gebäude, warfen einen Sprengkörper durch das Fenster, um den Holocaust zu entzünden. 700 Juden starben auf dies Weise einen qualvollen Tod.*

Überall in Europa geschahen solch unsägliche Verbrechen an der Menschlichkeit im Auftrag der Nazis. Jugoslawien und Griechenland wurden 1941 überfallen und auch dort wurden seitens der Deutschen die Juden verfolgt. Bilddokumentationen im Ausstellungskatalog "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" empfehle ich allen, die großmäulig fordern, man möge stolz auf die Leistungen der Deutschen Wehrmacht im 1. und 2. Weltkrieg sein und an anderer Stelle sogar posaunen, man möge endlich die NS-Vergangenheit nicht mehr zum Thema machen. 

In besagtem Ausstellungskatalog  des Hamburger Instituts für Sozialforschung kann man sich davon überzeugen, wie sehr Wehrmachtsangehörige in die Massaker während des 2. Weltkrieges  verwickelt waren. 

So sprengte in #Babij_Yar eine Pioniereinheit der Wehrmacht die Ränder der Todes-Schlucht ab und planierte das Massengrab. Es waren Uniformierte, die in den Habseligkeiten der Ermordeten wühlten. Es waren Reservisten, die diese leid-geplagten 33. 771 Menschen ermordeten.** 

Ohne Kriegerklärung fielen deutsche Wehrmachtstruppen 1941 in Russland ein. Allein in Weißrussland verloren 2,2 Millionen Zivilisten durch die deutsche Wehrmacht ihr Leben.** 

Wer hier Stolz einfordert, kann selbst nur ein Nazi sein. 

Ein weiteres Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht, das immer wieder thematisiert werden muss, ist der Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen. Von insgesamt 5,7 Millionen verloren 3,3 Millionen ihr Leben. 

Während der "Leningrader Blockade" am 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 verloren 1,1 Millionen Zivilisten ihr Leben, weil die deutsche Wehrmacht diese Menschen verhungern ließ.*** 

Über die Kriegsverbrechen in der Nazi-Zeit gibt es endlos zu berichten, zu berichten gibt es aber auch viel über den unsäglichen Gifteinsatz im 1. Weltkrieg. Damit werde ich mich in einer weiteren Sonntagskolumne demnächst befassen.

Als Pazifistin empfinde ich es als unerträglich, wenn ein Mensch den Begriff "Stolz" in Verbindung mit Soldaten oder Kriegshandlungen nennt und noch unerträglicher, wenn die Kriegsverbrechen der Nazis unter den Teppich gekehrt werden sollen.

Der Zweck ist natürlich klar, man glaubt so ungestörter rechtsradikale Reden halten zu können, ohne an Folgen erinnert zu werden. Daraus wird aber nichts werden, solange wir in einer Demokratie leben. Die Grundwerte der Demokratie erfolgreich zu schützen, genau darum geht es.  Das sind wir nicht nur den Mitgliedern der "Weißen Rose" schuldig.

Helga König

*vgl: Daniel Jonah Goldhagen "Hitlers willige Helfer"
**vgl.: Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944  
*** vgl.Wikipedia- Leningrader Blockade

Samstag, 23. September 2017

Sonntagskolumne Helga König: 24.9.2017

Vor 84 Jahren haben deutsche Wähler Hitler aufs Pferd geholfen. 5 Jahre zuvor hatte die NSDAP 2,6% der Stimmen.  Wie heißt der neue Hitler in wenigen Jahren?

Vor mehr als zwei Jahrzehnten las ich ein Buch über latenten Faschismus in unserem Lande. Als ich mit Bekannten über das Thema sprechen wollte, winkte man desinteressiert ab. Für sie war Faschismus eine Angelegenheit, die dem Gestern angehörte. Damals auch rief ich in einer örtlichen Zeitung zum Besuch der Wehrmachtsausstellung in der Paulskirche in Frankfurt auf, um sich auf diese Weise die Gräuel, die durch deutsche Soldaten in Russland verursacht wurden, bewusst zu machen. Durch diese Ausstellung und durch Daniel Goldhagens 1996 erschienenem Buch "Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust" wurde mir bewusst, worin der latente Faschismus hierzulande begründet war: Im Verschweigen eigener Schuld und im nicht Aufarbeiten der perversen Vergangenheit. 

Mein Aufruf zum Besuch der Ausstellung in der Paulskirche führte zu unglaublichen Beschimpfungen am Telefon seitens mir bis dahin fremden Menschen. In Diskussionen mit akademisch ausgebildeten Leuten meines Alters über die Wehrmachtsausstellung wurde mir klar, dass vielen nicht bewusst war, wie infiziert das deutsche Volk von der Nazi-Idee  einst war und dass sich die meisten nicht vorstellen konnten, dass ihre Väter zu solchen Gräueltaten wie die Menschen sie durch die Deutschen in ganz Europa erleiden mussten, fähig waren. 

Eine Lehrerin, deren Vater SS-Offizier war, flippte geradezu aus als ich sie fragte, ob sie glaube, dass ihr Vater sich in Leningrad keiner Verbrechen schuldig gemacht habe. Das Bild von der unschuldigen Wehrmacht durfte nicht hinterfragt werden. Die rund 80 Millionen Toten aufgrund von Kriegsverbrechen und Kriegsfolgen wurden zwanghaft unter den Teppich gekehrt. So blieb die Nazi-Ideologie wie alter Staub in unserem Land hängen, um nun neu hochgewirbelt, sich anzuschicken, einen Rechtsruck in der politischen Landschaft zu bewirken. 

Wie werden Menschen so brutal wie zu Nazi-Zeiten? Durch eine Erziehung wie sie in der Erziehungsfibel der Nazi-Autorin Johanna Harrer beschrieben worden ist und durch eine entsprechende faschistische Ideologie. Dazu aber gehört auch die Duldung  der Brutalität seitens einer Vielzahl von Bürgern eines Landes, die aus Angst, es könnten ihnen Nachteile entstehen, solche Strömungen nicht rechtzeitig eindämmen. 

1928 hat sich noch keiner in der Weimarer Republik vorstellen können, dass 17 Jahre später 6 Millionen Juden qualvoll den Tod erleiden und Andersdenkende außer Landes flüchten mussten, wenn sie dem KZ entgehen wollten, es rund 80 Millionen Kriegstote und unzählige Kriegsversehrte geben, das Land in Schutt und Asche liegen würde und es Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen zu verzeichnen gäbe. Noch ahnte keiner, dass über Generationen hinweg große Teile der Bevölkerung traumatisiert  sein würden. 

1928 hatte die NSDAP 2,6% der Stimmen bei der Reichstagswahl erhalten. 1930 waren es bereits 18,3%. 1932 zählte die NSDAP 37,2% und 1933 als sie an die Macht kam, stimmten 43,9% für die Verbrecherbande. 

Am 1. Mai 1933 wurden in Deutschland seitens rechtsradikaler Studenten, Professoren und Mitglieder nationalsozialistischer Parteiorgane die Werke von ihnen verfemter Autoren in 21 Universitätsstädten verbrannt. Diese öffentlichen Bücherverbrennungen waren der Höhepunkt der sogenannten "Aktion wider den undeutschen Geist", die nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten, im März 1933, zur systematischen Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller führte.* Bücher von berühmten Autoren wie Heinrich Mann, Erich Kästner, Sigmund Freud, Alfred Kerr und Kurt Tucholsky  loderten im Feuer, das jene entzündet hatten, die später ganz Europa in Brand steckten.

Man wollte die Vernunft niederknüppeln, sie verbrennen und vergasen, um anschließend ungehindert den für Nazis typischen Sadismus ungestört ausleben zu können. 

Vor 84 Jahren haben deutsche Wähler Hitler aufs Pferd geholfen. 5 Jahre zuvor hatte die NSDAP 2,6% der Stimmen. 

Unsicherheit und Existenzängste, die durch die Digitalisierung entstanden sind und noch intensiver entstehen werden, sowie bewusst geschürter Fremdenhass geben im Hier und Heute den Rechtsradikalen Auftrieb. Tägliche Aufklärung, was den digitalen Umbruch anbelangt ist wichtig und auch ein klares NEIN  im Hinblick auf den damit verbundenen Raubtierkapitalismus.

Werden in 5 Jahren erneut Bücher in diesem Land verbrannt? Oder werden aufgrund der Digitalisierung überhaupt keine mehr gedruckt? Wird man dann hierzulande nur noch die Infos digital zugespielt bekommen, die der rechtradikalen Totalverblödung dienen? 

Müssen Andersdenkende und Andersgläubige wieder erneut fluchtartig das Land verlassen? Mit welchen Perversionen der Neuen Rechten müssen wir rechnen?  

Was  die Neue Rechte mit den Alt-Nazis verbindet ist die Eiseskälte, der Mangel an Mitgefühl, eine erschreckende Verbohrtheit und  ein Mangel an Weltoffenheit. Das sollte zu denken geben.

Noch ist es Zeit, drohendem Unheil Einhalt zu gebieten. Die neuen Juden der Neuen Rechten werden alte Menschen sein. Die Neue Rechte, sie hat sich in der Konsumgesellschaft ganz spezifisch entwickelt, wird in ihrer Gier zu allem fähig sein. Der Gierhals Göring wird zu ihrer Ikone aus vergangenen Zeiten stilisiert werden. Das prophezeie ich schon jetzt. 

Wählen Sie morgen bitte den Fortbestand unserer Demokratie und vergessen Sie das Jahr 1933 nicht. Es war das Jahr unsäglicher Dummheit.

Demokratie ist der einzige Garant für Frieden. Es gibt keine rechtsradikale Demokratie, sondern nur rechtsradikale Diktaturen. Möchten Sie zukünftig in einer Diktatur leben? Ich nicht.

 Helga König

vgl:  Wikipedia

Sonntag, 17. September 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 17.9.2017

"Wörter können töten, das wissen wir nur zu genau. Aber Wörter können auch, obwohl nur begrenzt, manchmal heilen."Amos Oz 

Dieses Zitat twitterte heute morgen #Raimund_Schöll  und zwar gemeinsam mit einem sehr ansprechenden Foto einer hügeligen Landschaft, in deren Vordergrund Olivenbäume zu sehen sind. Verfasser obiger Sentenz ist der international bekannte, israelische Schriftsteller Amos Oz. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Er erhielt u.a. den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1992) den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt (2005), den Siegfried Unseld Preis (2010) und den Siegfried Lenz Preis (2014). 

Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Amos Oz den Satz "Wörter können töten, das wissen wir nur zu genau. Aber Wörter können auch, obwohl nur begrenzt, manchmal heilen" gesagt oder geschrieben hat, aber mir ist bekannt, dass dieser Schriftsteller in den 1970er Jahren bereits eine Organisation gegründet hat, die zur israelischen Friedensbewegung zählt und er seit 1967 ein prominenter Befürworter der "Zwei-Staaten-Lösung" ist. Demnach ist es nicht unwahrscheinlich, dass seine Sentenz politisch  motiviert ist.  Frieden beginnt mit einer friedvollen Sprache.

Neugierig geworden, ob es wissenschaftliche Beweise gibt, dass Wörter wirklich auch töten können, las ich in einem Beitrag von Tom Leonhardt, dass für den Wissenschaftler Steffen Ketty Herrmann Wörter tatsächlich tödliche Waffen sein können und auch, dass Schweigen als Gesprächsverweigerung besonders gefährlich sei. 

Die Phänomene sprachlicher Gewalt können leiser Ironie bis hin zur plumpen Beleidigung, von der indiskreten Taktlosigkeit bis hin zum sarkastischen Spott, von der herablassenden Demütigung bis hin zum eisigen Schweigen reichen, betont der Sozialwissenschaftler. 

In seinem Vortrag über "Warum Worte verletzten. Symbolische Gewalt und sozialer Tod" spricht Steffen Ketty Herrmann zunächst über physische und symbolischer Gewalt, um alsdann sprachliche Erniedrigung als Form sprachlicher Gewalt näher zu beleuchten. 

Wer beleidigt, möchte zumeist, dass eine Dritte Person diese Beleidigung hört, weil durch diese dritte Instanz die sprachliche Gewalt noch verletzender ausfällt. Durch die soziale Herabsetzung soll die soziale Position des Angegriffenen gemindert werden. Im Schweigen als letztes Mittel sprachlicher Gewalt hingegen werde sogar der soziale Tod provoziert. 

Was mit Kindern geschieht, die sprachlich erniedrigt werden oder mit denen, um sie zu strafen nicht gesprochen wird, weiß man. Sie werden sehr traurig, vielleicht sogar verstockt und trauen sich am Ende nichts mehr zu, wohingegen Kinder, denen man gut zuspricht, sich in der Regel günstig entwickeln, d.h. fröhlich und damit seelisch gesund verhalten. 

Wer sprachliche Gewalt anwendet, indem er andere zu erniedrigen sucht,  - sei es Kinder oder Erwachsene- möchte sich selbst erhöhen, möchte Macht über den verbal Erniedrigten gewinnen, ihn am liebsten vor Dritten bloßstellen und beschämen. Wer andere durch Schweigen abstraft, will töten, sei es sozial, seelisch oder tatsächlich. Kränkung kann todkrank machen.  

Einen Menschen von  solchen Seelenqualen zu heilen, ist möglich, indem man freundliche Worte voller Zuversicht an ihn richtet, sodass er mit der Zeit wieder Selbstvertrauen gewinnt und seinen Weg-  an sich  und seine Fähigkeiten glaubend - wieder weiter geht.

Die sozialen Netzwerke positiv zu nutzen, kann zur Heilung der Gesellschaft und der einzelnen Mitglieder beitragen. Davon bin ich überzeugt.

Helga König

Samstag, 9. September 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 10.9.2017

"Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun." Molière (1622 - 1673), eigentlich Jean-Baptiste Poquelin, französischer Komödiendichter und Schauspieler.

Der französische Dichter Molière war der Sohn eines königlichen Kammerdieners, der eine humanistische Ausbildung erhielt und anschließend zunächst in Orléans Rechtswissenschaften studierte. Seine Komödien sind durch überzeitliche Züge gekennzeichnet und geben alles der Lächerlichkeit preis, was dem gesunden Menschenverstand und den Prinzipien von Natur und Vernunft zuwiderläuft.* 

"Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun" lautet eine Sentenz dieses begnadeten Stückeschreibers, deren Inhalt sich jeder bewusst machen sollte, nicht zuletzt auch Politiker und Wirtschaftsleute in Entscheider-Positionen. 

Verantwortlich handelt derjenige, der für seine Handlungen aber auch für sein Unterlassen und die daraus entstehenden Folgen gerade steht und dafür sorgt, dass durch sein Handeln und Unterlassen kein Schaden verursacht wird.

Seit geraumer Zeit verfolge ich die Tweets von Helmut Baltrusch und verlinke zahlreiche seiner klugen Gedanken und Botschaften, weil dieser Mann - für jeden gut nachvollziehbar - aufzeigt  wie gesellschaftliche Verantwortung praktisch umgesetzt werden kann. Der 76 jährige Diplomingenieur und Betriebswirt hat sich gemeinsam mit anderen verantwortungsbewussten Mitgliedern der "Agendagruppe Generationzukunft" der Nachhaltigkeits- und Demografieentwicklung zur Erhaltung unserer Zukunft verschrieben. 

Auf der Website der Akteure  wird man zugleich mit der Frage konfrontiert. "Sind wir nicht alle verantwortlich für eine lebenswerte - weil zukunftsfähige und nachhaltige - Entwicklung im Zeitenwandel mit weltweitem Klima-, Bevölkerungs-, demografischen und digitalen Wandel incl. gesellschaftlichen Veränderungen, Konflikten und (Flüchtlings-) Krisen? "**

Nicht alle werden nicken, denn es ist bequemer Verantwortung zu delegieren und sich auf diese Weise weg zu ducken. Machen wir uns aber nichts vor: Wegducken ist natürlich immer verantwortungslos. 

Ein Blick nach Übersee verdeutlicht, welche Schäden entstehen, wenn dem Klimawandel nicht Einhalt geboten wird. Nachrichten wie wir sie in den letzten Tagen vernehmen müssen, werden zukünftig noch viel krasser ausfallen und zwar weltweit, wenn man ökologischer Vernunft  aufgrund von materieller Gier weiterhin kein Gehör schenkt. 

Verantwortungslosigkeit findet man leider auch in vielen anderen Bereichen der Weltgemeinschaft. Das Forum Generation Zukunft gibt hier Denkhilfe zum Handeln: "Die Verantwortung für die künftigen Generationen wahrzunehmen heißt, Zukunft zu lernen und die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung als umfassendes gesellschaftliches Modernisierungskonzept zu verstehen. Maßgeblich und verpflichtend für diese Entwicklung sind ethische Prinzipien wie die schonende Nutzung der Naturressourcen, soziale Gerechtigkeit, Verantwortung für künftige Generationen, globale Partnerschaft, eine andere Steuerung des sozialen Verhaltens, z.B. beim Thema Gesundheit (siehe "Wohnen und Gesundheit", "Fachärztliche Ambulanz"), Berücksichtigung des Wertewandels und der Rolle der Frauen, Vernetzung der Zukunftsindikatoren einschließlich die der technologischen Entwicklung für die soziale gesellschaftliche Entwicklung u.a.“  ***

Das Erkennen des Sinns ethischer Prinzipien und das Begreifen langfristiger Nachteile sind Grundvoraussetzungen, dass Verantwortungsbewusstsein ein erstrebenswertes Ziel für alle wird. Solange man verantwortungslose Zeitgenossen mit Applaus in Ämter und Positionen hebt,  ihnen verheerende Macht verleiht, anstatt sie in die Wüste zu schicken, wird allerdings alles noch schlimmer. 

"Ferne entfernt nicht von der Verantwortung!“ formulierte der 2015 verstorbene Philosoph Manfred Hinrich. 

Aufmerksame Blicke in viele Regionen unserer Welt lassen uns erkennen, dass wir alle viel zu lange Verantwortung verantwortungslos an Menschen delegiert haben, die eines in erster Linie zu sein scheinen: hochgradig verantwortungslos gegenüber Folgegenerationen, genau wie wir selbst.

Helga König

* vgl: Der Brockhaus: Literatur

Sonntag, 3. September 2017

Sonntagskolumne: Helga König, 3.9.2017

"Geduld ist mit der Hoffnung blutverwandt." Felix Lope de Vega Carpio (1562 - 1635),

Geduld gilt als die Tugend der Unnachgiebigen. Dass sie mit der Hoffnung blutsverwandt ist, lässt sich nicht verneinen. Im Gegensatz zur Hoffnung, setzt sie allerdings mehr Selbstbewusstsein voraus, denn der Geduldige ist davon überzeugt, dass seine Stunde kommen wird, während der Hoffende es nur glaubt bzw. glauben möchte.

Geduldiges Warten ist nur möglich, wenn man sich in Gelassenheit übt. Im Wort Gelassenheit steckt der Begriff "lassen". Erst wenn man "zulässt" oder "loslässt" ohne zu verzagen, schafft  man die Basis dafür, geduldig warten zu können bis die richtige Stunde kommt und lebt bzw. arbeitet unverkrampft aber konzentriert auf diesen Moment zu.

Der berühmte spanische Dichter Lope de Vega, Verfasser der Sentenz "Geduld ist mit der Hoffnung blutsverwandt." wurde  in einfache Verhältnisse geboren und verbrachte einen Teil seiner Kindheit im Hause seines Onkels, der Inquisitor in Sevilla war.

Die Spanische Inquisition war eine mit Genehmigung des Papstes eingerichtete staatliche Behörde, mittels der die Häresie in Spanien bekämpft werden sollte. Formal dauert die Inquisition in Spanien von 1478 bis 1834 an.

Wissen sollte man, dass es auf der iberischen Halbinsel zuvor eine Zeit gab, die von Respekt und Toleranz zwischen der jüdischen, muslimischen und katholischen Religion geprägt war und  sich erst im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts die Konfrontation zuspitzte. Es waren die katholischen Herrscher Spaniens, die aus Machtgründen getaufte Juden und Muslime verfolgen, foltern und ermorden ließen.

Lope de Vega besuchte die Jesuitenschule, später die Universität Alcalá und zeigte durch seinen späteren Lebenswandel, dass er für sich zumindest eine gewisse Freizügigkeit beanspruchte, die seinem strengen Onkel gewiss missfallen hat.

Unabhängig von seinem unsteten Lebenswandel hat der Dichter übrigens 483 Komödien geschrieben. Zudem entwickelte er in seinem Werk "Arte Nuevo" seine Ideen über die dramatische Kunst, in der die natürliche Schönheit das Ideal der Kunst darstellt.

Seine Herkunft und das Leben im Hause des strengen Inquisitors deuten nicht darauf hin, dass aus Lope des Vega später mal ein berühmter Komödienschreiber werden sollte, der der natürlichen Schönheit als Ideal der Kunst huldigte. Vielleicht hat er sein Talent zunächst im Verborgenen gelebt und geduldig gewartet bis ein Zeitfenster sich zeigte, das er dann voller Tatendrang geöffnet hat.

"Geduld ist mit der Hoffnung blutverwandt." Gewiss kannte der Jesuitenschüler Salomos Predigt, die den Titel "Alles hat seine Zeit" trägt und dachte bei der Formulierung seiner Sentenz  an besagten sehr weisen Text.

Der Geduldige arbeitet auf den richtigen Zeitpunkt hin, der Hoffende ist passiver und vertraut auf das Glück oder ein Wunder. Der Geduldige bricht aktiv seine Geduld, wenn das richtige Zeitfenster sich endlich zeigt, öffnet es und begibt sich mit der Gewissheit, dass die lange Geduld sich gelohnt hat, in eine passendere Situation. Die Gewissheit des Hoffenden entspringt eher einem wie auch immer gearteten Gottvertrauen oder dem Vertrauen auf positive Schicksalsmächte, die es irgendwie richten.

Engelsgeduld mit garstigen Mitmenschen aufzubringen, scheint mir eine der schwersten Geduldsübungen zu sein. Hier bedarf es neben der Gelassenheit noch vieler weiterer Tugenden, damit der Geduldsfaden nicht vorzeitig reißt.

Vielleicht steht die Engelsgeduld der Hoffnung am nächsten. Bleibt zu hoffen, dass keiner die Geduld eines Engels in seinem Umfeld braucht.

Helga König