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Samstag, 27. Mai 2017

Sonntagskolumne, Helga König, 28.5.2017

"Höflichkeit ist ein Merkmal eines zivilisierten Menschen." Unbekannt 

Zum Thema Höflichkeit findet man im Internet unzählige Zitate, die dem Leser verdeutlichen, dass Menschen sich schon seit vielen Jahrhunderten mit dieser Tugend befassen. Geprägt ist sie durch soziale Normen und Umgangsformen und äußerst sich nicht selten in rücksichtsvoller Distanz.

Historisch entwickelte sich die Höflichkeit im Prozess der Zivilisation (Norbert Elias) im spätmittelalterlichen Übergang zur Neuzeit, zunächst bei Hofe. Dort wurde die Rohheit und Gewalttätigkeit des Feudaladels zur höfischen Courtoisie des Hofadels gebändigt.* 

Wie verhält man sich, wenn ein Mensch sich unsäglich rüpelhaft gebärdet? Rügt man ihn? Oder sieht man besser über das unkultivierte Verhalten hinweg? Vermutlich hängt die Antwort von den jeweiligen Machtverhältnissen ab und auch davon, ob man es mit einem Psychopathen, Narzissten oder dergleichen zu tun hat, also mit einem Persönlichkeitsgestörten, der selbst die leiseste Kritik nicht vertragen kann und unberechenbar reagiert. Ist Schweigen dann ein Wegducken aus Furcht vor den Konsequenzen?  

In vormaligen Zeiten hatte nur ein Hofnarr das Privileg, Kritik zu üben. Den derzeit mächtigsten Mann der Welt "in den Senkel" zu stellen und ihn wachzurütteln, sich doch bitte mal zivilisiert zu verhalten, nicht zu Rempeln und den Pfau zu geben, empfehle ich keinem in dessen Dunstkreis, noch nicht einmal einem Hofnarren, denn selbst eingeschränkte Humorakzeptanz, bedarf gewisser Voraussetzungen. 

Duško Marković, der Premierminister von Montenegro verfügt übrigens über ein geradezu beeindruckend höfliches Verhalten, denn unbeeindruckt von der brachial wirkenden Geste Donald Trumps in Brüssel, sich einen Weg zu bahnen, blieb Markovic charmant. Montenegro, das sollte man wissen, ist Mitglied der Vereinten Nationen, der WTO, der OSZE und des Europarates. Zudem ist Montenegro Beitrittskandidat der Europäischen Union, nutzt den Euro als Währung und ist ab dem 5. Juni 2017 das 29. und jüngste Mitglied der NATO.**

Markovic war klar, dass die Rempelei nicht ihm persönlich galt. Vermutlich wäre es keinem anderen Premierminister, der Trump im Weg gestanden hätte, anders ergangen. Hätten alle so höflich und zuvorkommend reagiert wie der 59 jährige Jurist? Wir wissen es nicht. Markovic tat es spontan und augenscheinlich nicht aus Berechnung, wie man auf dem Clip, der in den sozialen Medien kursiert, erkennen kann. Das lässt ihn zu einem Sympathieträger aufgeklärter, europäischer Kultiviertheit werden.

Was treibt einen erwachsenen Menschen dazu, sich nicht um Contenance zu scheren und sein Umfeld immerfort zu brüskieren? Ein unhöflicher Mensch dokumentiert, dass er andere wenig achtet. Man findet dieses Phänomen nicht selten bei einem bestimmten Typus des Neureichen. Diesem Typus brennt die Sicherung aufgrund seines Geldes früher oder später durch. Die Folge ist, dass er mit den allseits bekannten Statussymbolen protzt und sich zum Despoten entwickelt, was für einen höflichen, gebildeten, dabei durchaus nicht unbegüterten Menschen undenkbar ist. Respekt und Zurückhaltung sind nicht grundlos Prinzipien der britischen Internatserziehung.  

An gewissen spektakulären Plätzen auf der Welt hat man Gelegenheit  das Verhalten von besagten Neureichen, denen Geld alles und Bildung kaum etwas wert ist, ausgiebig zu studieren. Schaut man sich die Kopfhaltung aller genauer an, so fällt stets der arrogant hochgerissene Kopf, das nicht selten vorgeschobene Kinn oder alternativ der motzige Gesichtsausdruck  als sehr unangenehm auf und man fragt sich, weshalb die Leute trotz ihres Geldes so wenig gelassen sind? 

Wenn im Elternhaus der Wert des Geldes höher bemessen wird als der der Bildung, besteht die Gefahr, dass die nächste Generation geistig unreif und "ungehobelt" bleibt und Geld die Personen je nach Menge bis zum Platzen aufbläst. Die Folge sind Arroganz und Hochmut als ein Zeichen von geringem Selbstwert. 

Jean Rostard schreibt, dass Arroganz das Selbstbewusstsein des Minderwertigkeitskomplexes sei. Das gibt zu denken. Um im Umfeld von wohlerzogenen Menschen unhöflich zu sein, bedarf es vor allem der Ignoranz und/ oder Arroganz. 

Wir wissen, dass sich Narzissten extrem rücksichtslos verhalten können. Sie verfügen über ein extrem mangelndes Selbstwertgefühl und haben eine starke Empfindlichkeit gegenüber Kritik. Ihr übertriebenes Selbstbewusstsein nach außen begeistert jene, die sie spiegeln und führt leider dazu, dass innerlich schwache Menschen Narzissten aufgrund des Pfauengehabes und der vermeintlichen Durchsetzungsfähigkeit (alles wegzurempeln oder alternativ wegzumobben) bewundern. 

Wer über Rücksichtnahme in Ellenbogengesellschaften sprechen möchte, sollte dies am besten mit einer Parkuhr tun. Sie antwortet vielleicht höflich…. 

Rüpeln und Rempeln sind Zeitgeistphänomene. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass im Neoliberalismus dem Geld mehr Wert als der Bildung beigemessen wird und nicht die Weisheitslehrer, sondern neureiche Milliardäre die eigentlichen Idole verkörpern.


Helga König


Sonntag, 21. Mai 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 21.5.2017

"Kein Ding schwächt die Vernunft mehr als Unlauterkeit." Albrecht Dürer (21.5.1471 - 1528)

Heute vor 546 Jahren wurde der Maler Albrecht Dürer geboren. 
Zwei Bücher, die sich mit ihm und seinen Werken befassen, habe ich in den letzten Jahren auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiert. 

Anbei die Links: 

Meine heutige Sonntagskolumne möchte ich nicht Dürers Leben und seinen Werken widmen, weil ich mich nicht wiederholen will. Stattdessen möchte ich mich mit seiner Sentenz "Kein Ding schwächt die Vernunft mehr als Unlauterkeit" gedanklich befassen.

Über die Vernunft haben zahlreiche Philosophen im Laufe der Jahrhunderte viel nachgedacht. Wikipedia lässt den Leser wissen: "Vernunft bezeichnet in seiner modernen Verwendung die Fähigkeit des menschlichen Denkens, aus den im Verstand durch Beobachtung und Erfahrung erfassten Sachverhalten universelle Zusammenhänge der Wirklichkeit durch Schlussfolgerung herzustellen, deren Bedeutung zu erkennen, Regeln und Prinzipien aufzustellen und danach zu handeln."*

Gibt man den Begriff "unlauter" bei Google ein, so findet man beispielsweise im Woxikon sechzehn Definitionsmöglichkeiten, die jeweils breit spezifiziert verdeutlicht werden. Bei den Möglichkeiten handelt es sich um: "hintenherum, betrügerisch, falsch, lügnerisch, unwahrhaftig, illegal, liederlich, boshaft, ehrlos, unredlich, ungetreu, unehrlich, heuchlerisch, verborgen, doppelzüngig und scheinheilig.**

Dass unvernünftige Menschen ohne ethisches Bewusstsein problemlos alle unlauteren Mittel einsetzen, um ihre Unvernunft aufgrund egoistischer Hoffnungen auszuleben, steht außer Frage und man weiß auch, dass die Folgen zumeist verheerend sind.

Weshalb aber handeln manche vernunftsorientierte Menschen, denen die Folgen unvernünftigen Handelns durchaus bewusst sind, plötzlich unlauter? Was macht solche Personen blind für die unerquicklichen Konsequenzen? Ist es die Hoffnung durch Unlauterkeit  kurzfristige Vorteile zu erlangen, die ihnen ansonsten verwehrt sind? Sind ihnen diese zeitlich eng begrenzten Vorteile wichtiger als die durch Unvernunft drohenden langfristigen Folgen?  Macht genau diese Hoffnung blind für die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreffenden tatsächlichen Konsequenzen? Fast scheint es so.

Dabei muss der Vorteil keineswegs ein materieller sein. Beziehungssucht beispielsweise kann Vernunft ebenfalls aushebeln und unlautere Handlungsweisen befördern. Nicht nur Krimileser wissen das.

Ich teile Dürers Meinung, dass kein Ding die Vernunft mehr schwächt als Unlauterkeit. Vernunft ist ein Garant für Frieden. Vernunft und Unlauterkeit schließen einander aus. Da gibt es nichts zu deuteln.

Helga König

Sonntag, 14. Mai 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 14.5.2017

"Gefährlich sind vor allem die Menschen, deren Herz kleiner ist als der Verstand." (Markus Köppl)

Um den Wahrheitsgehalt dieses bemerkenswerten Satzes von Markus Köppl zu überprüfen, sollten wir zunächst schauen, wie die einzelnen Begriffe definiert sind. 

Fangen wir mit dem Begriff  "Verstand" an. Der Philosoph Rudolf Eisler definiert: "Verstand (logos, epistêmê, intellectus, intelligentia, ratio, entendement, understanding) ist im weitern Sinn die Denkkraft, die Intelligenz gegenüber der Sinnlichkeit, im engeren, gegenüber der Vernunft (s. d.), die Einheit, Fähigkeit des geistigen Erfassens, des (richtigen) Begreifens (Abstrahierens) und Urteilens, kurz des beziehend-vergleichenden, analysierenden Denkens, sowie des »Verstehens«, d. h. des Wissens um die Bedeutung der Worte und Begriffe. »Gesunder Verstand« (»bon sens«) ist die natürliche (schon ohne besondere Ausbildung wirksame) Auffassungs- und Beurteilungskraft, das normale, aber unmethodische, daher auch leicht fehlgehende Denken.“* 

Das Herz dient sowohl als Symbol direkt, als auch über den Umweg der Metapher des menschlichen Herzens und steht im Zusammenhang mit den europäischen Ideale für Güte und Liebe.** 

Gefährlich ist eine Situation oder ein Sachverhalt, der zu einer negativen Auswirkung führen kann. Diese negative Auswirkung einer Gefährdung kann Personen, Sachen, Sachverhalte, Umwelt oder Tiere betreffen.*** 

Dass Menschen, denen es an Empathie mangelt, gefährlich sein können, steht außer Frage. Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen.****

Wie ist es möglich, dass ein Mensch, der über Verstand verfügt, Empfindungen, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale nicht erkennen und verstehen kann, wenn sein Herz kleiner ist als sein Verstand? 

Spontan fällt mit hier ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry ein. Er schrieb in seinem Werk "Der Kleine Prinz" "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Dieser Satz verdeutlicht uns, weshalb Markus Köppls Sentenz von großer Lebensklugheit zeugt. 

Wir brauchen uns am heutigen Tag nicht all die negativen Auswirkungen für Personen, Sachen, Sachverhalte, Umwelt und Tiere vergegenwärtigen, die durch fehlgehendes Denken entstanden sind, weil Empathie nicht als gleichgewichtiges Korrelativ Gefährdung gestoppt hat. 
Es genügt, sich mit dem Muttertag zu beschäftigen, der für  fast alle Mütter nicht ohne Bedeutung ist. Die Ursprünge des Muttertags lassen sich bis zu den Verehrungsritualen der Göttin Rhea, der Göttin der Mutterschaft,  im antiken Griechenland zurückverfolgen.*****  

Gestern erzählte mir eine Mutter beiläufig in einem Gespräch, dass sie stets ein wenig traurig sei, wenn ihre erwachsenen Kinder aufgrund des Kommerzspektakels den Muttertag nicht zur Kenntnis nehmen wollen und deshalb an diesem Tag noch nicht einmal mit ihr telefonierten. Dies habe ich schon oft von Müttern aus unterschiedlichen Generationen gehört und dabei wahrgenommen, dass all diese Mütter verletzt waren, nicht zuletzt, weil die berechtigte Weigerung am Kommerz teilzunehmen ja keineswegs heißen muss, der Mutter an dem Tag keine für sie erkennbare Achtung zukommen zu lassen. 

Meine Lehrerin in der 3. Grundschulklasse erzählte uns Schülern einst, dass sie ihrer Mutter zum Muttertag stets einen Strauß Wiesenblumen schenkte, um sich für ihre viele Mühe zu bedanken und berichtete weiter wie sehr ihre Mutter sich darüber immer gefreut habe. Die Lehrerin war damals hochschwanger und brachte am Muttertag ihre beiden Töchter zur Welt.

"Gefährlich sind vor allem die Menschen, deren Herz kleiner ist als der Verstand," denn sie können die Botschaft, die der erzählten Erinnerung der Lehrerin innewohnt, emotional nur schwer entschlüsseln. 

Schenken sie Ihrer Mutter heute ein paar schöne Stunden oder telefonieren Sie mit ihr. Zeigen Sie, dass Ihr Herz größer ist als ihre intellektuellen Bedenken. Schenken Sie Ihr Freude.

Helga König

**Herz
***Gefahr
***** Muttertag


Sonntag, 7. Mai 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 7.5.2017

"Vergessen wir nicht, dass unser Weg und unser Ziel die Liebe ist- die Liebe, die alle Lasten leicht tragen lässt, denn sie entströmt unaufhörlich den Quellen des ewigen Lichts." (Franz Liszt in einem Brief an Carolyne Sayn-Wittgenstein) 

Vorgestern postete ich kurz hintereinander drei Tweets, die zum Nachdenken anregen sollten. Diese lauteten:

"Weshalb die Frauen Casanova liebten? Weil er hinreißend intelligente Geschichten erzählen konnte und dabei charmant war.“ 

"Weshalb die Frauen Chopin liebten? Weil er ihre Seele begriffen hat" 

"Weshalb die Frauen Goethe liebten? Weil er Poesie besaß und früh schon erkennbar weise war."

Handelt es sich um Liebe, wenn man einen anderen aufgrund seiner Eigenschaften, Fähigkeiten oder Leistungen bewundert und wertschätzt oder ist Liebe doch etwas völlig anders? 

Eigenschaften sind angeboren, Fähigkeiten hingegen werden erworben und Leistungen können aufgrund von Eigenschaften und Fähigkeiten erbracht werden. 

Einen Menschen zu "lieben", weil er intelligente Geschichten erzählen kann und dazu noch charmant ist, heißt, ihn als Mittel zur Befriedigung eigener schöner, kurzweiliger Stunden zu nutzen, sich aber für den Menschen, der sie uns bereitet, nicht wirklich zu interessieren. Ganz ähnlich schaut es aus, wenn wir jemand dafür "lieben", weil er Poesie besitzt und früh erkennbar weise ist. 

Was uns antreibt in einer solchen vermeintlichen Liebe ist Eigennutz. Der Mensch tritt in den Hintergrund. Wir wollen uns bereichern, durch seine Fähigkeiten und nennen es dann Liebe. Auch wenn ein Dritter durch seine Musik zeigt, dass er die Seele von uns Frauen begriffen hat, ist es erneut Eigennutz, der uns von Liebe sprechen lässt. Gemeint aber ist auch hier in erster Linie Vorteilsdenken und nicht das, was den "Quellen des Lichts entspringt". 

Wann aber lieben wir einen anderen Menschen wirklich? Wenn wir unseren Egoismus vollständig überwinden? Wenn wir vom anderen nichts erwarten, auch nicht mit ihm verschmelzen wollen? 

Was lässt Liebe entstehen, wenn wir unbeeindruckt von den Eigenschaften, Fähigkeiten und Leistungen eines Menschen uns in diesen verlieben und sich daraus Liebe entwickelt? Vermutlich handelt es sich dann um rein seelische Anziehung, die wir nicht zu deuten vermögen und die für Dritte mitunter vollkommen unverständlich ist. 

Wenn sich Menschen, die sich eigentlich nichts zu sagen haben, weil ihre Interessen oder ihre geistigen Fähigkeiten Lichtjahre voneinander entfernt liegen und sexuelle Affinitäten auch keine Rolle spielen, dennoch viele Jahrzehnte lieben und füreinander da sind, dann gibt es für Dritte in unserer kurzlebigen Zeit viel zu staunen.

Liebende teilen ihr Leben, ihre Handlungen und ihre Gefühle, las ich kürzlich bei der Schweizer Philosophin Angelika Krebs. Das Teilen habe einen Eigenwert, der um seiner selbst willen erfolge. Das Teilen bezieht sich nicht auf einzelne Handlungen und Gefühle, sondern auf das Teilen selbst. 

Das Teilen um seiner selbst willen entspricht nicht dem momentanen Zeitgeist. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb außer Verliebtheit in unserer narzisstischen Gesellschaft kaum ein Beziehungsband möglich ist und man Verliebtheit aus Unkenntnis immer häufiger mit Liebe verwechselt. Einen anderen um seiner selbst willen zu lieben, macht erforderlich, seine Egoismen auf den Prüfstand zu stellen. 

Bei allem aber muss uns bewusst sein: "Es bleibt zwischen Menschen, sie seien noch so eng verbunden, immer ein Abgrund offen, den nur die Liebe, und auch nur mit einem Notsteg, überbrücken kann." (Hermann Hesse) 

Diesen Notsteg zu bauen, ist unserer aller Lebensaufgabe.

Helga König