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Sonntag, 22. Dezember 2019

Sonntagskolumne Helga König, 22.12.2019

In dem wunderbaren Übungsbuch "Wer bin ich", das das Team von "The School of Life" verfasst hat und das ich vor einigen Tagen rezensiert habe, findet man unter anderem die Fragen: "Was würden die folgenden Menschen als Erfolg ansehen? Auf welche positiven Dinge konzentrieren sie sich? 

Ein Großvater 
Ein Krebspatient 
Ein vierjähriges Kind 

Ein Großvater

Die Erfolgsvorstellung eines Großvaters im Hinblick auf seine Enkelkinder, denn darauf scheint der gewählte Begriff  "Großvater" hinzudeuten, sollte meines Erachtens deren charakterliche Entwicklung im Auge haben, ohne allerdings ins elterliche Erziehungsprogramm einzugrätschen.

Ein Großvater sollte seine Lebenserfahrungen seinen Enkeln nach Möglichkeit ungeschönt weitervermitteln, sie vor den Folgen von Unredlichkeit warnen, ihnen auch begreifbar machen, dass sie nur Glied einer langen Kette sind und sich generell allen Familienmitgliedern und darüber hinaus allen Mitmenschen gegenüber fair verhalten sollten. 

Er sollte seinen Enkeln im Speziellen auch verdeutlichen, dass man keine Keile in eine Familie treibt, weil man sich auf diese Weise Vorteile erhofft und dass die Vorstellung von Lieblingsenkeln in einer fairen Familie keinen Platz haben kann. 

Gerechtigkeit und Gleichbehandlung sollten das oberste Prinzip sein, das er und selbstverständlich auch seine Frau vorleben. Als seinen größten Erfolg sollte er begreifen, dass seine Kinder und Enkelkinder dank seines Vorbildes redliche und dabei selbstbewusste Erwachsene geworden sind. 

Ein Großvater sollte darauf achten, dass, sofern er selbst mehrere Kinder hat, diese gut miteinander auskommen, dass alle gemeinsam am runden Tisch, Probleme des Familienverbandes diskutieren und auf Augenhöhe die Probleme zu lösen versuchen. Enkelkinder sollten begreifen, dass sie Teil eines solchen Verbandes sind, in dem Konkurrenzdenken  und Mobbingsversuche nicht erwünscht sind.

Insgesamt sollte ein Großvater sich sehr bemühen, das Grundvertrauen seiner Enkel ins Leben zu stärken. Ein solches Vertrauen entsteht nur dann, wenn man ehrlich und offen zueinander ist. 

Ein Großvater sollte sich bei allem nicht als Patriarch produzieren, sondern seine liebevollen Seiten kultivieren.  Damit überzeugt er am meisten.

Ein Krebspatient 

Der Erfolg eines Krebspatienten besteht meines Erachtens darin, seine Krankheit anzunehmen und alle Möglichkeiten ausfindig zu machen, um wieder gesund zu werden. Ein Krebspatient sollte sich von allem trennen, was ihn krank gemacht hat und sofern noch möglich, neue Wege gehen. Die meisten körperlichen Krankheiten haben seelische Ursachen. Das sollte jedem bewusst sein. Deshalb gilt es für ein stabiles Immunsystem zu sorgen und  jene Menschen, die  schaden, aus seinem Leben zu verbannen.

Ein vierjähriges Kind 

Für ein Kind dieses Alters bedeutet Erfolg meines Erachtens, fröhliche Tage zu erleben, zu lachen, zu spielen und ungestört träumen zu dürfen. Ein vierjähriges Kind hofft, von seinen Urgroßeltern, Großeltern, Eltern und Verwandten bedingungslos geliebt zu werden und begreift es als Erfolg, wenn alle, natürlich auch seine Spielkameraden (m/w) gerne mit ihm zu tun haben. Um diesen Zustand zu erreichen, muss ein Kind lernen, freundlich und höflich zu sein. 

Wer Sandburgen zertritt, wird von keinem geliebt, wer sie mit aufbaut schon. 

Ein vierjähriges Kind bemüht sich, durch das, was es bereits erlernt hat, anderen Menschen Freude zu bereiten, so etwa zu singen, selbstgebastelte Dinge zu verschenken, eine Geschichte zu erzählen  oder einfach nur freundlich zu sein. 

Aufrichtige Freundlichkeit ist ohnehin ein Schlüssel zur Akzeptanz durch unsere Mitmenschen, die sehr genau spüren, ob jemand nur eine Grimasse schneidet oder tatsächlich Licht verschenken möchte. 

Helga König

Sonntag, 15. Dezember 2019

Helga König- Sonntagskolumne, 15.12.2019

Überbordende Egomanie ist der Motor für mangelnde Empathie und im Speziellen für mangelnde Hilfsbereitschaft. Neid und Missgunst gesellen sich zumeist im Laufe der Jahre bei Egomanen hinzu und machen den Kontakt mit ihnen nicht einfach. 

Da besuchte eine Frau, die von ihrem Ehemann weit mehr als 60 Jahre auf Händen getragen wurde, diesen in seinen letzten drei Lebenswochen nicht ein einziges Mal im Krankenhaus, weil sie ihn nicht mehr sehen wollte, nachdem er ihr sein gesamtes Vermögen vermacht und sie von ihm nichts mehr zu erwarten hatte. Seinen Kummer aufgrund dieses Verhaltens konnte sie nicht wahrnehmen, weil ihr die Sensoren dazu fehlten. 

Ein Vater von zwei noch kleinen Söhnen lachte vergnügt unmittelbar nach der Beerdigung seiner Frau beim gemeinsamen familiären Kaffeetrinken, weil die Verstorbene ihm im kranken Zustand lästig war und ihr Tod ihn nun frei für die bereits neue Bettgespielin machte. Das peinliche Berühtsein der Tischgesellschaft aufgrund seines Verhaltens konnte er nicht wahrnehmen, weil ihm die Sensoren dazu fehlen. 

Ein habsüchtiger, protestantischer Pfarrer nutzte sein Vertrauensverhältnis zu seinem hochbetagten, senilen Großvater aus, beeinflusste ihn, dessen millionenschweres Vermögen heimlich von dessen leiblichen Söhnen weg, zum großen Teil auf ihn zu verschieben und bekannte sich nach mehr als 1 ½ Jahrzehnten zu seinem Tun, nicht etwa weil er sich nun schämte, den Großvater zum Erbbetrug manipuliert zu haben, sondern, weil er sich ärgerte, dass seine Halbbrüder ihm später unverhofft seine Beute weggeschnappten. Auch ihm fehlen die Sensoren, zu erkennen, dass ein solches Verhalten wie er es an den Tag legte- noch dazu für ihn als Pfarrer- einfach abgründig ist. 

Ein anderer Ehemann schaffte es noch nicht einmal, auf der Beerdigung seiner geschiedenen Frau zugegen zu sein, weil er nicht begreifen konnte, dass er für ihren Tod mitverantwortlich ist. Auch ihm fehlen die Sensoren. 

Sein Sohn, der die Mutter zum Tod auf Verlangen hatte bewegen wollen, um sich der Probleme, die  ihre Krankheit mit sich brachten, entziehen zu können, wusste auch nicht, was er da offen propagierte, weil auch ihm die Sensoren fehlen. 

Ein weiterer habsüchtiger, großmäuliger Enkelsohn zog es vor, anstelle bei der Bestattung seines Großvaters zugegen zu sein, durch die Welt zu jetten und seine verblendete Großmutter später, nachdem er sie dazu bewogen hat, ihn zum Haupterben zu machen, in ein Pflegeheim zu verfrachten, um ungestört auf dem familiären Anwesen sein Luxuslotterleben beginnen zu können. Auch ihm fehlten die Sensoren, um zu fragen: Hallo, was mach ich denn da? Das kann doch nicht fair sein? 

Eine andere Frau, die sich ebenfalls jahrzehntelang von ihrem Mann auf Händen tragen ließ, empörte sich als ihr Mann mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus kam, weil er nach ihren Aussagen ihr den Sommer kaputtgemacht hatte. Sie wollte keinen Pflegefall, so ihre Worte und war froh, dass er drei Wochen später die Augen für immer schloss. Dass sie ihren Bruder um dessen Erbe betrogen hat, hat sie schon lange verdrängt. Auch ihr fehlten die Sensoren, um so erkennen, dass ein solches Verhalten einfach unmenschlich ist. 

Zwischenzeitlich wundere ich mich nicht mehr, wenn Menschen ihr egoistisches Verhalten als Selbstverständlichkeit  nehmen, zudem schamlos offenbaren und die abgründigen Motive im Gespräch dann dazu noch mit liefern. Es ist zwecklos, solche Leute daran zu erinnern, dass es unredlich ist, sich so abgefeimt zu verhalten, denn sie begreifen nicht, wovon man spricht.

Den Kontakt zu solchen Personen abzubrechen, halte ich für sinnvoll, denn man kann sie nicht eines Besseren belehren. Es ist ihr Charakter, der sie so agieren lässt. Insofern darf ihnen keinen Raum geben. Man muss sie isolieren. So können sie am wenigsten Schaden anrichten.

Helga König

Sonntag, 8. Dezember 2019

Sonntagskolumne: Helga König, 8.12.2019

Dieser Tage postete ich als Beitrag zum Thema #zeigthereurehandschrift  nachstehenden Tweet:  

"Mit der Hand zu schreiben, ist eine alte Kulturtechnik, die es vermutlich bald nicht mehr geben wird. Wir sollten bedenken, dass wir dadurch ein wichtiges Dokument individueller Besonderheiten von uns Menschen verlieren. In der Schrift erkennt man noch nach Hunderten von Jahren wie ein Mensch gefühlt hat. Jetzt schaffen wir uns allmählich ab. Wollen wir das tatsächlich?" 

Dieser zeilenbegrenzte Tweet ließ weitere Gedanken zum Thema nicht zu. Es geht ja nicht nur ums Fühlen, sondern auch ums Denken, um gemachte Erfahrungen und den daraus entstehenden Ausdruck der Persönlichkeit.

#Klaus_Pohlmann  twitterte "In Maschinenschrift sehen alle Menschen gleich aus!“ 

Diesen Satz halte ich für bemerkenswert, weil er darauf aufmerksam macht, dass ein Text, der maschinengeschrieben ist, im Grunde keine weiteren Rückschlüsse auf den jeweiligen Verfasser zulässt, als jene, die dem Text zu entnehmen sind. Alles bleibt auf der gedanklichen Ebene. 

Vielleicht kann man sich ja so vorurteilsfreier auf den Inhalt von Texten einlassen und muss den Verfasser nicht zwingend skeptisch mitdenken. 

Kann ein Schüler oder Student mit einem bedenklich infantilen Schriftbild tatsächlich diesen hochgeistigen Text geschrieben haben, der einem Lehrer oder Dozenten zur Korrektur gerade vorliegt? Würde der gleiche Text in Maschinenschrift besser benotet werden? Wie beeinflussbar sind wir in unserer Bewertung überhaupt?

Bei einem Liebesbrief schwingt in handgeschriebenen Zeilen ohnehin etwas mit, was man im maschinengeschriebenen Text nicht erfassen kann. Es ist beinahe so als würde man einem Menschen gegenübersitzen und ihm in die Augen blicken. 

"In  Maschinenschrift sehen alle Menschen gleich aus!" Auf diese Weise werden persönliche Briefe beliebig, können wiederverwendet und an weitere Adressaten verschickt werden. Ein handgeschriebener Brief ist eine Momentaufnahme, weil das im Briefkuvert enthaltene über den reinen Text hinausgeht, im Schriftbild nämlich den wahren seelischen Zustand des Schreibers im Moment des Verfassens der Zeilen offenbart. 

Sein Schriftbild im Netz zu zeigen, ist ein Wagnis, denn es bedeutet ist in heutigen Zeiten weit mehr, als sich öffentlich nackt auszuziehen. Es ist eine Mutprobe der besonderen Art, die nicht nur beweist, dass wir die alte Kulturtechnik noch beherrschen, sondern auch, dass wir unverkrampft mit unseren Stärken und Schwächen umgehen können, sie anderen freundlich hinhalten und entspannt bekunden: "Schau her, das bin ich. Manchmal stark, mitunter schwach. Egal nun wie: Es gibt mich wirklich." 

Viele alte Kulturtechniken sind uns bereits verloren gegangen. Wir sollten unsere Schrift retten, denn  ohne sie verlieren wir einen wesentlichen individuellen Ausdruck unserer Persönlichkeit und können, wenn wir durch die Maschinenschrift nun alle gleich ausschauen, das Denken dann auch alsbald den Maschinen überlassen.  

 Helga König