"Nichts geschieht in der belebten Natur, das nicht in irgendeiner Beziehung zum Ganzen steht. Die Natur - wie vielfältig sie auch erscheint - ist nichtdestoweniger immer ein einziges großes Ganzes, eine Einheit." (Goethe)
Heute Morgen entdeckte ich in meiner Timeline auf Twitter einen faszinierenden Tweet. Ich hielt inne, staunte und klickte neugierig auf den Account desjenigen, der ihn gepostet hat.
Der Accountbesitzer nennt sich "wilderwandel" und ist seit dem 12. Januar dieses Jahres auf Twitter aktiv. In seiner Vorstellung merkt er an: "Wieder wild zu sein ist die einzige Option, die wir haben..." "Being wild again is the only option we have.."
Spontan fiel mir der legendäre Song der Hard-Rock-Gruppe "Steppenwolf" ein und hier die Zeilen:
Like a true nature's child
We were born,
born to be wild
We can climb so high
I never wanna die
Born to be wild
Born to be wild
Dann musste ich lächeln, weil mein erster Tweet heute Morgen ein Youtube- Clip mit Gedanken von Hermann Hesse war. Es handelte sich dabei allerdings nicht um eine Textstelle aus Hesses Roman "Steppenwolf", der für viele junge Menschen einst ein Kultbuch war.
Sie erinnern sich?: "Es war einmal einer namens Harry, genannt Steppenwolf. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war er doch eben ein Steppenwolf."
"Like a true nature's child
We were born, born to be wild"
"Wieder wild zu sein ist die einzige Option, die wir haben...“ Was meint "wilderwandel" damit?
Was bedeutet "wild?" In erster Linie wohl "ungezähmt".
Wie kann man diesen Zustand erneut erreichen und was würde das für uns bedeuten? Schon wieder geistert eine Textstelle durch meinen Kopf. Diesmal aus dem 21. Kapitel des Buches "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry. Hier geht es um Freundschaft, die nur möglich ist, wenn man sich einander vertraut macht. Dieses Vertrautmachen bedeutet für Saint-Exupéry "zähmen".
So gesehen befinden wir uns, die wir auch nach Hesse nur dann glücklich sein können, wenn wir lieben, was ja auch Grundlage einer Freundschaft ist, in einem Zwiespalt, der nicht auflösbar zu sein scheint. Um wild zu sein – also ungezähmt und so gesehen auch ungebunden bzw. frei- müssen wir auf Liebe und Freundschaft verzichten und uns in selbstgewählter Einsamkeit einrichten. Doch dies macht bekanntermaßen auf Dauer krank.
Laut dem Roten Kreuz können in England ungefähr 200 000 ältere Menschen höchstens einmal im Monat ein Gespräch mit einem Freund oder Verwandten führen, las ich gestern bei Notker Wolf in seinem neuen Buch "Ich denke an Sie". Das kann keine Option sein.
"wilderwandel" taucht mit seinen Fotos in die Zauberwelt der Natur ein. Man nimmt wahr, wie sehr er sich in jedes einzelne Motiv einbringt, nicht nur mit den Augen, denn er erzählt jeweils eine Geschichte durch die Art wie er das jeweilige Bild anlegt. Man spürt, er trauert bei seinen Wanderungen durch die Natur keinem Gestern nach, denn er nimmt alles sehr bewusst wahr und blickt hinter das, was sich ihm zeigt. Deshalb auch erzählen seine Bilder philosophische eingefärbte Geschichten.
Dieser Fotograf liebt die Stille, das Schöne in der Natur, die belebten Steine, das Grün, die Ruhe, die Meditation.
Er denkt dabei an Goethe: "Nichts geschieht in der belebten Natur, das nicht in irgendeiner Beziehung zum Ganzen steht. Die Natur - wie vielfältig sie auch erscheint - ist nichtdestoweniger immer ein einziges großes Ganzes, eine Einheit," und lässt erkennen, dass er viel Demut besitzt.
"Wieder wild zu sein, ist die einzige Option, die wir haben...“ … um neu beginnen zu können? Weil jedem Anfang ein Zauber innewohnt, der uns beschützt und hilft zu leben? Ist es das?
Es macht mich neugierig, was "wilderwandel" uns in seinen nächsten Posts vermittelt, um seinen Satz "Wieder wild zu sein, ist die einzige Option, die wir haben...“ allmählich entschlüsseln zu können. Dass "ungezähmt", nicht "unkultiviert" heißt, wie manche meinen, dokumentiert der Account "wilderwandel" auf subtile Art.
Helga König
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