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Sonntag, 8. Dezember 2019

Sonntagskolumne: Helga König, 8.12.2019

Dieser Tage postete ich als Beitrag zum Thema #zeigthereurehandschrift  nachstehenden Tweet:  

"Mit der Hand zu schreiben, ist eine alte Kulturtechnik, die es vermutlich bald nicht mehr geben wird. Wir sollten bedenken, dass wir dadurch ein wichtiges Dokument individueller Besonderheiten von uns Menschen verlieren. In der Schrift erkennt man noch nach Hunderten von Jahren wie ein Mensch gefühlt hat. Jetzt schaffen wir uns allmählich ab. Wollen wir das tatsächlich?" 

Dieser zeilenbegrenzte Tweet ließ weitere Gedanken zum Thema nicht zu. Es geht ja nicht nur ums Fühlen, sondern auch ums Denken, um gemachte Erfahrungen und den daraus entstehenden Ausdruck der Persönlichkeit.

#Klaus_Pohlmann  twitterte "In Maschinenschrift sehen alle Menschen gleich aus!“ 

Diesen Satz halte ich für bemerkenswert, weil er darauf aufmerksam macht, dass ein Text, der maschinengeschrieben ist, im Grunde keine weiteren Rückschlüsse auf den jeweiligen Verfasser zulässt, als jene, die dem Text zu entnehmen sind. Alles bleibt auf der gedanklichen Ebene. 

Vielleicht kann man sich ja so vorurteilsfreier auf den Inhalt von Texten einlassen und muss den Verfasser nicht zwingend skeptisch mitdenken. 

Kann ein Schüler oder Student mit einem bedenklich infantilen Schriftbild tatsächlich diesen hochgeistigen Text geschrieben haben, der einem Lehrer oder Dozenten zur Korrektur gerade vorliegt? Würde der gleiche Text in Maschinenschrift besser benotet werden? Wie beeinflussbar sind wir in unserer Bewertung überhaupt?

Bei einem Liebesbrief schwingt in handgeschriebenen Zeilen ohnehin etwas mit, was man im maschinengeschriebenen Text nicht erfassen kann. Es ist beinahe so als würde man einem Menschen gegenübersitzen und ihm in die Augen blicken. 

"In  Maschinenschrift sehen alle Menschen gleich aus!" Auf diese Weise werden persönliche Briefe beliebig, können wiederverwendet und an weitere Adressaten verschickt werden. Ein handgeschriebener Brief ist eine Momentaufnahme, weil das im Briefkuvert enthaltene über den reinen Text hinausgeht, im Schriftbild nämlich den wahren seelischen Zustand des Schreibers im Moment des Verfassens der Zeilen offenbart. 

Sein Schriftbild im Netz zu zeigen, ist ein Wagnis, denn es bedeutet ist in heutigen Zeiten weit mehr, als sich öffentlich nackt auszuziehen. Es ist eine Mutprobe der besonderen Art, die nicht nur beweist, dass wir die alte Kulturtechnik noch beherrschen, sondern auch, dass wir unverkrampft mit unseren Stärken und Schwächen umgehen können, sie anderen freundlich hinhalten und entspannt bekunden: "Schau her, das bin ich. Manchmal stark, mitunter schwach. Egal nun wie: Es gibt mich wirklich." 

Viele alte Kulturtechniken sind uns bereits verloren gegangen. Wir sollten unsere Schrift retten, denn  ohne sie verlieren wir einen wesentlichen individuellen Ausdruck unserer Persönlichkeit und können, wenn wir durch die Maschinenschrift nun alle gleich ausschauen, das Denken dann auch alsbald den Maschinen überlassen.  

 Helga König

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