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Samstag, 26. Oktober 2019

Sonntagskolumne: Helga König, 27.10.2019

Das Ereignis für kleine Kinder hier vor Ort sind derzeit fünf Hühner, die ein Landwirt aus der Region an die hiesige katholische Gemeinde vermietet hat. Auf dem Gelände des katholischen Gemeindezentrums, auf dem sich auch der Kindergarten "Don Bosco" befindet, laufen die braunen Hühner- versteckt hinter einer grünen Hecke- unaufgeregt im Vorgarten auf und ab oder sonnen sich in Kuhlen, die sie vermutlich in den letzten Tagen gescharrt haben. 

Wenn ich meine Lebensmitteleinkäufe tätige, komme ich dort stets vorbei und beobachte für eine kleine Weile, was geschieht. Zumeist stehen Mütter oder Großmütter mit ihren kleinen Töchtern oder Enkelinnen am Zaun und schauen gebannt auf die Hühner. Jungs sieht man nur sehr selten dort.

Mutige Mädchen im Alter von vier oder fünf Jahren steigen auch schon mal über den Zaun, um die Tiere zu streicheln oder sie behutsam ein paar Meter zu tragen. Die Augen der Mädchen strahlen dann. Man fühlt wie glücklich sie in diesen Momenten sind. Es hat wohl etwas mit Tierliebe zu tun, doch auch mit dem Empfinden, dass alles miteinander zusammenhängt und der Wertschätzung bedarf. 

 Foto: Helga König
Als ich vorgestern Nachmittag den Weg nahm, begegnete mir zunächst eine Großmutter aus Bolivien mit ihrer 20 Monate alten Enkelin dort. Neugierig frage ich stets, woher die  einzelnen Menschen kommen und kommuniziere dann ein bisschen mit ihnen. Diese spannenden, kleinen Gespräche verdeutlichen, wie einfach ein Miteinander funktioniert, wenn man es möchte. 

Hier vor Ort leben weit mehr als 100 Nationen zusammen und das funktioniert seit Jahren sehr gut, weil man einander respektiert und wertschätzt. Die Nähe zum Airport Frankfurt/Main war diesbezüglich früh schon eine gute Lehrmeisterin.

Das bolivianische Kind hatte panische Angst vor den Tieren, die sie, wie ich erfuhr, noch nie gesehen hatte. Sie stürzte, als ich sie aufmunternd anlächelte, auf mich zu und klammerte sich furchtsam an meinen kleinen Finger. Ich war gerührt und versuchte sie, sehr sanft sprechend, zu beruhigen. Es klappte. Dann dauerte es nicht lange bis das Mädchen mich lächelnd an den Zaun zog, um eines der Hühner anzulächeln. Lächeln löst Angst auf, beobachtete ich. Kleine Kinder wissen das. Man vergisst es erst später, wenn das Leben uns zu viel Ernst abgefordert hat. 

Auf dem Nachhauseweg stand eine Mutter aus Bangladesch mit ihrem 2 1/2 jährigen Mädchen dort. Zudem war eine junge deutsche Mutter mit ihren beiden Kleinen anwesend, deren Vater aus Hongkong stammte, wie ich erfuhr. Die beiden Frauen, die sich dort gerade erst kennengelernt hatten, unterhielten sich bereits angeregt. 

Das hübsche Kind aus Bangladesch hatte noch große Angst vor den Hühnern, legte diese aber rasch ab, indem sie spontan die Bewegungen der Hühner nachahmte, was sehr witzig aussah. Die Bewegungen brachten ihr die Tiere offenbar näher, nahmen ihr die Angst. Eine interessante Beobachtung. 

Die beiden kleinen, skeptischen Halbchinesinnen mochten nicht glauben, dass Hühner Eier legen können und wollten immerfort von ihrer Mutter wissen, wie das funktioniert und weshalb die Hühner ihnen nicht jetzt den Gefallen täten, zu zeigen wie sie es machen. Das Gipsei im Hühnerstall konnte die Hühner leider nicht spontan dazu motivieren, zu demonstrieren, woher die Frühstückseier kommen. Doch zu wissen, dass sie aus dem Inneren der Hühner stammen, verändert bereits die Wertschätzung gegenüber dem Produkt.

Als ich gestern am Spätnachmittag  zum Hühnerhof ging, um einige Fotos zu realisieren, waren leider keine Kinder anwesend, aber zwei nette Frauen mit ihren kleinen Hunden, die sich – auch das war interessant - nicht für die Hühner zu interessieren schienen, im Gegensatz zu ihren Frauchen. Kein Gegackere, kein Gebelle, nur leise Stimmen. Die Tiere hatten sich  offenbar schon auf Sonntagsruhe eingestellt.

Eine der Frauen hatte sich in den letzten Tagen dafür eingesetzt, dass die Hühner nicht nur Körner, Haferflocken und frisches Wasser täglich bekommen, sondern auch Salat. Die Tiere sollen nicht nur bestaunt werden, sondern alle sollen erfahren wie man sie artgerecht hält, ließ man mich wissen. 

Wie wunderbar sich Dinge entwickeln können, wenn alle mitdenken und sich in einer guten Sache ein wenig engagieren!

Der kleine Hühnerhof ist ein Ort der Begegnung geworden, ein Ort, wo Menschen entspannt miteinander umgehen, wo Kinder unterschiedlicher Herkunft zueinander finden und durch die Erlebnisse mit den Tieren erkennen, dass andere Kinder ganz ähnlich fühlen wie sie selbst, fast alle Ängste haben, diese aber überwinden können.

Das Bewusstsein für die Wunder der Natur wird durch solche Aktionen gerade bei Stadtkindern subtil geweckt. Dieses Bewusstsein ist eine wichtige Basis für die  Wertschätzung der Natur, die in den letzten Jahrzehnten so sehr gelitten hat, vielleicht weil der Entfremdungsakt immer größer wurde durch entsprechende Nachlässigkeiten. 

Helga König

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