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Sonntag, 19. Februar 2017

Helga König: Sonntagskolumne, 19.2.2017

"Immer Gerechtigkeit für andere, Mut für uns selbst. Das sind die zwei Tugenden, worin alle anderen bestehen." 

Dieser Satz Rahel Varnhagen von Enses (1771-1883), soll Gegenstand der Betrachtung der heutigen Sonntagskolumne sein. 

Rahel Varnhagen gilt als die Muse der deutschen Romantik. Sie war Schriftstellerin und Salonière, die einen bemerkenswerten Freundeskreis hatte. Zu diesem Kreis zählte Heinrich Heine, Ludwig Börne und auch Hermann von Pückler-Muskau, Personen also, die sie intellektuell sehr bereicherten. Die blitzgescheite Salonière gab allerdings gerne Bereicherndes zurück. Das machte sie unvergesslich, wie  Biografien, die Hannah Arendt und Carola Stern über sie verfassten, bekunden.

"Immer Gerechtigkeit für andere, Mut für uns selbst. Das sind die zwei Tugenden, worin alle anderen bestehen." 

Was ist eine Tugend? Wikipedia definiert: "Allgemein versteht man unter Tugend eine hervorragende Eigenschaft oder vorbildliche Haltung."

Wir haben es also bei Gerechtigkeit offenbar mit einer vorbildlichen Haltung und bei Mut mit einer hervorragenden Eigenschaft zu tun. Beide Tugenden sind laut Varnhagen Grundbedingung  für alle weiteren, wie z.B. Mitgefühl, Besonnenheit, Großzügigkeit, Redlichkeit oder auch Spielfreude.

Der römische Philosoph Cicero sagte einst "Mut ist die Tugend, die für Gerechtigkeit eintritt." Vermutlich ist das Zitat Rahel Varnhagens eine Ableitung dieses Gedankens. 

Kant wiederum postulierte "Habe Mut Dich Deines Verstande zu bedienen." Wer diesen Mut aufbringt, wird erkennen, dass nur dort, wo Gerechtigkeit, sprich Fairness, das Verhalten einer Gesellschaft prägt, man auch tatsächlich im Frieden leben kann, dem Zustand also, der Prosperität erst ermöglicht. 

Nichts führt so sehr zu Spannungen in Familien, in der Gesellschaft und nicht zuletzt auch in der Wirtschaft und Politik als Ungerechtigkeit, herrührend aus Bevorteilung einzelner Personen, Personen- und Gesellschaftsgruppen oder Unternehmen, hier beispielsweise bei der Auftragsverteilung aufgrund von Vetternwirtschaft  sowie Korruption etc. 

Ungerechtigkeit erzeugt zudem stets ein zersetzendes Klima, spürbar bereits in Kindertagen, wenn Eltern unachtsam ihre Zuwendung unfair unter Geschwistern verteilen und dadurch Kränkungen bei den benachteiligten Kindern bewirken, die deren Seelenleben langfristig schaden und zu Ängsten und generellen Verunsicherungen führen. Ursache für das Trauma  ist hier also der Mangel an Mut seitens der Eltern, gerecht zu sein. 

Für den gierigen, selbstsüchtigen Menschen ist Gerechtigkeit stets ein rotes Tuch, denn die Gier macht, sobald sie überbordet, nicht vor dem Eigentum oder der Position oder den familiären sowie gesellschaftlichen Bindungen eines anderen halt. Der Selbstsüchtige will sich alles einverleiben und hat kein Problem damit, wenn der Mitmensch geistig, seelisch  oder materiell verhungert. Um diese Tatsache wirklich zu begreifen,  braucht man oft Jahre oder gar Jahrzehnte.

Der Selbstsüchtige sieht den anderen nicht, weil er nur sich und seine Begierden auf dem Schirm hat. 

Mut, nicht mit Übermut zu verwechseln, "ist eine Charaktereigenschaft, die dazu befähigt, sich gegen Widerstand und Gefahren für eine als richtig und notwendig erkannte Sache einzusetzen." (Wikipedia)

Mut bedarf demnach immer auch einer gewissen, überschaubaren Risikobereitschaft. Im Falle von Gerechtigkeitsbemühungen geht es darum, sich den Ansprüchen von Gierhälsen zu widersetzen und energieraubenden Ärger auszuhalten.

Wer sich in unserer narzisstischen Gesellschaft für Gerechtigkeit einsetzt, muss mit viel Widerstand, auch mit Gefahren rechnen, denn die Forderung fair und damit gerecht miteinander umzugehen, schafft nicht nur Freunde. 

Man benötigt Mut und dazu noch Demut, wenn man im Laufe seines Lebens erkennt, dass das Bemühen um Gerechtigkeit nur selten von Erfolg gekrönt ist, braucht viel Mut trotz aller Unbill weiterzumachen. 

Wer mutig die Gerechtigkeit fördert, ist - man kann es bei den großen Gerechten dieser Welt deutlich erkennen- stets auch  großzügig, selbstgenügsam, verantwortungsvoll und zudem weise.

Untugenden wie Hochstapelei, Narzissmus, Angabe, Unredlichkeit, Gier und Unverschämtheit sind mutigen, gerechten Menschen fremd. Das macht sie so ungemein sympathisch und anziehend, erstaunlicherweise  auch für jene, die den Schatten leben und dem mutigen, gerechten Menschen dessen innere Freiheit neiden, ein Zustand, der nur dort entsteht, wo der Zwang zur Selbstsucht überwunden wurde. 

Helga König

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