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Donnerstag, 22. November 2018

Kolumne: Helga König, 22.11.2018

Der hervorragende Film "Vor der Morgenröte" ist auf Arte noch bis zum 27.11.2018 verfügbar. Er befasst sich mit einer bestimmten Lebensphase des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig, dessen Bücher ich vor Jahrzehnten erstmals gelesen habe und noch immer sehr schätze. 

Zweig war einer der erfolgreichsten, deutschsprachigen Autoren während der 1920-1930er Jahre. Er war Sohn eines jüdischen Textilunternehmers, studierte Philosophie, Romanistik und Germanistik und schrieb in Philosophie seine Doktorarbeit. All das geschah lange vor der Zeit, die im Film thematisiert wird.

Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits unendlich viele Werke verfasst, die die Jahrhunderte überdauern und dann immer noch erkenntnisfördernd sein werden. Zu diesem Zeitpunkt auch war nicht nur seiner großen Leserschaft bereits bekannt, dass er sich als Europäer und Pazifist begriff und einen hohen moralischen aber auch ethischen Anspruch in seine Bücher einfließen ließ, weil er sich um den Erhalt der alten humanistischen Werte bemühte. 

Im Film lässt der Drehbuchautor Jan Schomburg ihn sagen: "Intellektuell sein, heißt gerecht sein." Ein wichtiger Satz, von hohem Wahrheitsgehalt! 

Stefan Zweigs Bücher standen 1933 auf der Liste der Bücherverbrennungen und 1935 wurde er im Nazi-Deutschland auf die Liste verbotener Autoren aufgenommen. Damals hatte er Deutschland bereits verlassen, denn er lebte von 1934 bis 1942 im Exil. 

Die Nazis waren nicht gerecht, folglich auch nicht intellektuell. Ihr Denken war archaisch plump und von Selbstsucht zerfressen. Viele Intellektuelle waren damals auf der Flucht vor der grausamen,braunen Brut und konnten trotz Verfolgung nur deshalb weiterleben, weil sie in anderen Ländern Asyl fanden. Auch Stefan Zweig konnte dies, wie "Vor der Morgenröte" dokumentiert, doch ihn quälte sein Privileg, das er als berühmter Schriftsteller hatte. Ihm nämlich hatte er es zu verdanken, dass er in Rio de Janeiro, Buenos Aires, New York, Petrópolis, das waren vier Stationen im Exil des Schriftstellers und großen Intellektuellen, gastfreundlich aufgenommen wurde und in Sicherheit leben konnte. 

Ich möchte den Film nicht nacherzählen und auch keine Rezension dazu verfassen. Was mich fasziniert hat und weshalb ich heute diese kleine Kolumne schreibe, war, dass erkennbar wird, wie sehr ein ethisch denkender Mensch darunter leiden kann, dass er aufgrund privilegierter Bedingungen gewissermaßen "auserwählt" ist, dem Leid und den Qualen, die andere erleben müssen, nicht ausgesetzt zu sein,  wie er diese Bürde nicht erträgt, weil er ein sensibler Intellektueller ist, dadurch depressiv wird, so depressiv, dass er sich schließlich das Leben nimmt.  

Menschen, denen Asyl gewährt wird, haben auch im Hier und Heute, bevor sie gerettet wurden,  immer furchtbare Erfahrungen gemacht, die sie seelisch schwer belasten, oft ihr Leben lang. Haben sie Verwandte oder Freunde, die weiterhin Terror oder Krieg ausgesetzt sind, werden sie keine Sekunde ihre Rettung genießen können, sondern sie werden vor allem leiden, auch wenn sie nicht intellektuell sind. Es genügt, ein Herz zu haben. Hat man das begriffen, versucht man all diesen Menschen, viel Ruhe zu verschaffen, sie zu trösten und schürt nicht neuerliche Ängste, weil man wie hier in Deutschland am rechten Rand auf Stimmenfang gehen will, indem man das Asylrecht,- sich geradezu teuflisch die Hände reibend-, zur Disposition stellen möchte. 

Helga König

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