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Samstag, 9. März 2019

Sonntagskolumne, Helga König, 10.3.2019

#André_Niedostadek@niedostadek twitterte gestern das eindrucksvolle Foto unten links und merkte an: "Einen passenden Text dazu darf sich jede*r selbst ausdenken."  

Mir fiel heute Nacht folgende Geschichte dazu ein:

Die Worte "Panta rhei" ("Alles fließt") erlernte Marten als Kind schon im Lateinunterricht. Deshalb überzeugte er sich damals jede Woche auf dem Damm, ob der Strom, den er von dort aus sah, sich noch immer Richtung Meer bewegte. Vom Meer träumte er stets. Er wusste, dass von dort die Schiffe in alle Welt fuhren und man als Passagier viel erleben und sehen konnte. Abenteurer zu werden, war sein Kindheitstraum.

Seitdem waren Jahrzehnte vergangen. Sein Haar war schütter geworden in all der Zeit, wo er weit gereist, oft sehr gute Geschäfte getätigt hatte und von nicht wenigen, wirklich schönen Frauen begehrt wurde. Nun war er müde, auch krank und die Erinnerungen plagten ihn. 

Twitter- Foto: André Niedostadek
Der Satz "Panta rhei" fiel ihm erst wieder ein, als er erneut den Fluss seiner Kindheit sehen wollte. Jetzt gab es eine Treppe, die zum Damm hoch führte und die Gemeinde hatte eine Bank aufstellen lassen für ältere Menschen, die von dort aus das Treiben auf dem Fluss beobachteten. Wie banal, dachte er. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe…! 

Spontan entschied er sich, den Nachmittag auf der Bank zu verbringen, um seine Gedanken fließen zu lassen, während sein Blick, den Verlauf des Flusses zu erfassen suchte. War er bereits ein älterer Mensch? War er auch schon so begrenzt in seinen Interessen?

Diese Fragen gefielen ihm nicht. Er schob sie weg, wie er stets alles ihm nicht Angenehme zur Seite schob, solange er auf der Überholspur zu leben meinte und alles andere als fair zu seinen Mitmenschen war, wenn sie seine Kreise störten. 

Das, was er lange Jahre als Erfolg betrachtete, hatte seinen Preis. Es kostete ihn seine Mitmenschlichkeit, machte auf Dauer sein Herz krank. Er lebte zu lange ein Leben, dass nicht seinem wirklichen Wesen entsprach. Dafür hasste er sich, gleichwohl machte er immer weiter so. Der Erfolg gab ihm Recht, bis irgendwann- völlig unerwartet - sich Fortuna verabschiedete, zunächst im Beruf, dann auch privat. 

Was war das? 

Es wollte nicht aufhören, kam Schlag auf Schlag. Jetzt als er auf der Bank saß und sich selbst bemitleidete, fiel ihm ein weiterer Satz ein, den er als Kind gelernt hatte "denn mit des Geschickes Mächten, ist kein ewiger Bund zu flechten". Das hatte er nicht geglaubt. 

Alles, was er erreicht hatte, war  nur seinem Können und natürlich seinem Charme geschuldet. Dieses Bewusstsein ließ ihn selbstherrlich und immer unsympathischer werden.

Was sollte er tun? In den Fluss springen, um dort zu ertrinken. Ein letztes Mal Fülle erleben? Die Fülle des Wassers? Nein!

"Alles fließt." Es würde wieder besser werden, wenn er all das, was er im Laufe seiner Jahre weggeschoben hatte, verarbeiten würde, dachte er plötzlich. Dann könnte sein Leben erneut fließen, dann könnte er wieder gesund werden.   

Einmal noch geliebt zu werden und endlich wiederzulieben..., kam ihm  nun in den Sinn. Er begann, was ihn irritierte, zu weinen, - ließ es zu-. Jetzt wollte er nicht mehr Abenteurer sein. Es gab für ihn ein neues Ziel und das hieß, lieben zu lernen. 

Den Fluss besuchte Marten fortan stets aufs Neue, denn dieser wurde sein Lehrmeister auf seine alten Tage.

Helga König.

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